Vortrag 15 + Praxis

 

Kinder empathisch und beHERZt begleiten

 

Bewusste Empathie im Alltag als konkrete Hilfe

bei der Begleitung von Kindern

 

Ein Vortrag für Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen und alle,
die mit Kindern zu tun haben oder ihre eigene Kindheit besser verstehen wollen


Realitätenkellnerin: Jacqueline Jacobsen

Termine: siehe Terminkalender

Teilnahmegebühr: Wähle die Höhe deiner Teilnahmegebühr selbst und werfe sie anonym in die Kasse vor Ort.

(Richtwert: zwischen 5,- und 20,- € pro 60 Min., kann gerne auch unter- oder überschritten werden, je nach deiner finanziellen Lage und Werteinschätzung der Veranstaltung. Teilnehmende mit hohem Einkommen oder Vermögen bitten wir, sich tendenziell am oberen Richtwert zu orientieren.)

Obergrenze: maximal 25 Personen (Köln), 35 Personen (Karlsruhe), bitte anmelden

Voraussetzung für die Teilnahme:   keine

 

 

Kurze Zusammenfassung des Inhalts:

In diesem Vortrag berichte ich über meine wertvollen Erfahrungen mit der konsequenten Anwendung der Freien Systemischen Aufstellungen im Alltag - besonders im Umgang mit Kindern. Dabei ist es egal, ob das Kind an einer körperlichen Krankheit leidet, ob es Probleme in der Erziehung gibt oder das Kind sich nicht so verhält, wie die Eltern sich das wünschen, oder ob die Eltern sich überfordert fühlen.
Kinder und Eltern sind eingebunden in ihr Familiensystem und in die Dynamiken, die sich daraus ergeben. Der Alltag gibt uns wertvolle Informationen über diese meist unbewussten Dynamiken und das Universum konfrontiert uns regelmäßig mit den für uns wichtigen Situationen, um unsere Probleme lösen zu können. Das Freie Aufstellen hilft dabei, diese alten Dynamiken aufzudecken und in neue Gleichgewichte zu führen oder sogar zu lösen. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass sich die Beziehung zu den Kindern (oder auch zum Lebenspartner) bereits dann entspannt, wenn man zu reflektieren beginnt und zumindest das Problem erkannt hat.
In diesem Vortrag erkläre ich die (Ver-)Bindung zwischen Eltern und Kindern und die Ursachen, warum Kinder an chronischen Krankheiten leiden oder verhaltensgestört (= Verhalten, das stört) sind, warum Eltern immer wieder Schwierigkeiten mit den Kindern haben und warum es die schwierige Pubertät nicht geben müsste.
Anmerkung: Für mich ist kein Kind und auch kein Erwachsener verhaltensgestört - für mich zeigen diese Verhaltensweisen (die andere stören) nur etwas, das zu einem lösbaren Problem gehört. Wenn man genauer hinschaut, zustimmt und das Gezeigte als Spiegel zur Lösung der eigenen Probleme nutzt, darf das störende Verhalten endlich verschwinden.
Ich werde Möglichkeiten und Werkzeuge auf Basis der Freien Systemischen Aufstellungen aufzeigen, die uns dabei unterstützen können, die Beziehung zu den Kindern und auch Lebenspartnern, Eltern etc. wieder liebevoller, klarer und liebevoll-konsequenter zu gestalten.

 

Für das Lesen des kompletten Vortrags hier unten:

Bestimme die Gebühr für das Lesen dieses Vortrags selbst - je nach deiner Wertschätzung unserer Ausarbeitung, deiner Wertschätzung des Inhalts und nach deiner finanziellen Lage.

Richtwert: zwischen 1,- und 5,- € pro Vortrag/Training - kann gerne auch unter- oder überschritten werden. Leserinnen oder Leser mit hohem Einkommen oder Vermögen bitten wir, sich tendenziell am oberen Richtwert zu orientieren.

Möchtest du nichts überweisen, dann gehört das für uns auch dazu. Du bist herzlich eingeladen, den Text hier unten trotzdem zu lesen.

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Die ausführliche Begründung und die Hintergründe für unser ungewöhnlich offenes Preissystem findest du hier.

 

Ausführliche Darstellung des Inhalts:


Kinder empathisch und beHERZt begleiten

Bewusste Empathie im Alltag als konkrete Hilfe

bei der Begleitung von Kindern

Ein Vortrag für Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen und alle,
die mit Kindern zu tun haben oder ihre eigene Kindheit besser verstehen wollen




Wie kommt es zu Problemen und Spannungen zwischen Kindern und Eltern?


Dafür gibt es 3 Ursachen, die im Zusammenspiel eine bedeutende Rolle spielen (siehe auch im Buch "Die Kriegs-Trance" von Olaf Jacobsen):

 

1. Zwei Bedürftige stehen sich gegenüber
2. Fehlendes Wissen über die natürliche Schmerzverarbeitung
3. Fehlendes Wissen über resonierende Empfindungen


Zu 1. Zwei Bedürftige stehen sich gegenüber
Der Erwachsene rutscht von der sicheren, überlegenen Rolle in eine bedürftige Rolle, so dass sich nun zwei Bedürftige (Eltern - Kind) gegenüberstehen. Das kann in folgenden Situationen geschehen:

Situation A:
Der Erwachsene erlebt in der Gegenwart eine traumatische Situation: Unfall, schwere Krankheit, Naturkatastrophe, Krieg, Tod einer geliebten Person etc.
Beispiel:
Stellen Sie sich eine Mutter vor, die nach der Geburt schwer an einer Infektion erkrankt und auf die Intensivstation verlegt werden muss. In diesem Zustand kann Sie nicht für das Bonding und für das Stillen mit ihrem Neugeborenen zur Verfügung stehen. Beide - Mutter und Kind - sind bedürftig. Beim Kind ist es eine natürliche Bedürftigkeit, die jedes Kind hat: Das Bedürfnis nach Nahrung, Nähe, Wärme und Liebe. Bei der Mutter ist es ein ‚Unglück', für das die Mutter nichts kann. Wir nennen solche Situationen auch eine ‚Naturkatastrophe'.
Dennoch kann die Trennung von Mutter und Kind gleich nach der Geburt traumatisierend sein. Und beide bräuchten nun einen Rahmen und die Zeit, das Trauma zu verarbeiten.

Situation B:
Der Erwachsene erlebt eine Situation, in der ein altes Trauma getriggert wird. Dies geschieht entweder durch eine gegenwärtig erlebte Situation und / oder durch ein entsprechendes Verhalten des Umfeldes. Wird ein altes Trauma getriggert, fühlt sich die Person meist unbewusst in dem Alter, in dem das eigentliche Trauma passiert ist. Ist dies in der Kindheit passiert, wird der Erwachsene nicht nur zum Bedürftigen, sondern fühlt auch noch die Hilflosigkeit und Abhängigkeit, die er damals als Kind gefühlt hat, so dass nun in der Gegenwart das Kind sich einem bedürftigen (kindlichen) Erwachsenen gegenüber sieht. Auch in diesem Fall müsste der Erwachsene sein altes Trauma verarbeiten, um für die natürlichen Bedürfnisse des Kindes (egal, ob es sein eigenes oder ein anvertrautes Kind, wie Schüler, Kindergartenkind etc.) liebevoll, verständnisvoll und mit Achtsamkeit zur Verfügung stehen zu können.
Beispiel:
Ein Vater wurde in seiner Kindheit nie liebevoll von seiner Mutter (allein erziehend) begleitet, wenn er sich weh getan hatte. Manchmal bekam er sogar eine Ohrfeige, wenn er etwas Neues ausprobiert und sich dabei weh getan hatte. Nun geht er mit seinem Sohn spazieren und sein kleiner Sohn steuert schnurstracks auf eine kleine Mauer zu. Der Vater ruft dem Sohn hinterher: "Geh nicht auf die Mauer." Doch der Sohn hört es entweder nicht oder ignoriert die Anweisungen vom Vater. Er klettert auf die Mauer und läuft auf ihr entlang, stolpert und fällt hinunter.
Die Reaktion des Vaters ist kein liebevolles Trösten, sondern einen Klaps auf den Po mit den Worten: "Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht auf die Mauer klettern sollst."
Würde der Vater in der Situation den Schmerz des Sohnes liebevoll begleiten, wäre er mit seinem eigenem Schmerz aus der Kindheit konfrontiert, dass seine Mutter seine Schmerzen auch nicht liebevoll begleiten konnte, sondern auch ihn stattdessen geschlagen hatte.

Situation C:
Der Erwachsene hat das Muster in seiner Kindheit gelernt, selbst immer dann bedürftig zu sein, wenn anderen Wünschen an ihn haben. Wenn er nun mit den natürlichen Bedürfnissen (Wünschen) eines Kindes konfrontiert ist, rutscht er in die bedürftige Rolle und es stehen sich zwei Bedürftige gegenüber. In dieser Situation müsste der Erwachsene erkennen, dass sein Muster in seiner Kindheit sehr wichtig war, um seine natürlichen Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Doch nun ist er erwachsen und das Muster ist ihm nun nicht mehr dienlich.

Lösung:
Haben zwei bedürftige Menschen Kontakt zueinander (egal, ob es Erwachsener und Kind - oder Erwachsener und Erwachsener - oder Kind und Kind ist), dann gibt es immer Streit, Spannungen oder Probleme, denn jeder hat den Wunsch, dass der eine dem anderen für die Erfüllung seiner Bedürfnisse zur Verfügung steht.
Streit, Spannungen und Probleme können nur verhindert werden, indem einer der bedürftigen Personen die Erfüllung seiner Bedürfnisse hinten anstellt und dem anderen liebevoll zur Verfügung steht. Wenn die beiden Personen dies im Wechsel gegenseitig tun können, dann kann das ein sehr harmonisches Miteinander sein. Doch dieses wechselseitige Zur-Verfügung-stehen ist nur zwischen Erwachsenen (oder zwischen zwei Kinder) möglich und ist für mich Ebenbürtigkeit.
Zwischen Erwachsenen und Kindern kann ein abwechselndes Zur-Verfügung-stehen nicht möglich sein, da Kinder grundsätzlich, natürlich bedürftig sind und die Erfüllung ihrer Bedürfnisse durch den Erwachsenen zum Überleben benötigen.

Hier liegt die Lösung immer nur beim Erwachsenen.

- Entweder ist der Erwachsene in der Lage, seine Bedürfnisse hinten anzustellen, um dem Kind für seine Bedürfnisse zur Verfügung zu stehen.
- Oder der Erwachsene ist in der Lage, seine alten Traumata zu lösen, so dass er nicht mehr durch das Triggern von alten Traumata in eine bedürftige Situation rutscht und somit nicht mehr zum Bedürftigen wird.
- Oder bei gemeinsam erlebten Traumata - ist der Erwachsene in der Lage, mit dem Kind gemeinsam das Erlebte zu verarbeiten bzw. zu betrauern.


Zu 2. Fehlendes Wissen über die natürliche Schmerzverarbeitung
Kaum ein Mensch in unserer Gesellschaft kennt die natürliche Schmerzverarbeitung oder ist sich derer bewusst, so dass traumatische Erlebnisse selten wirklich verarbeitet werden. Im obigen Fall mit der Mutter und dem Kind nach der traumatischen Geburt müsste nun zunächst die Mutter Zeit und einen sicheren, liebe- und verständnisvollen Rahmen finden, um das Geburtstraum zu verarbeiten. Meist gelingt die Verarbeitung dadurch, dass die Mutter an das, was bei der Geburt schief ging und was sie gefühlt hat, denkt und intensiv gedanklich in diese Situation eintaucht. Dabei kann es sein, dass sie die gleichen Gefühle nochmals fühlt - diesmal befindet sie sich aber in einem sicheren Rahmen, so dass sie diese Gefühle nun auch vollständig zulassen kann - meist durch Tränen. Diese Vorstellung an die traumatische Situation im Vergleich mit der Vorstellung wie schön es gewesen wäre - wenn alles optimal gelaufen wäre - wiederholt die Mutter so lange, bis keine Unwohlgefühle und Tränen mehr hoch kommen.
Wenn die Mutter also an die traumatische Situation denken kann und es geht ihr gut damit, d.h. die ehemals traumatische Geburt kann als 'normale' Erfahrung gefühlt werden, ist die traumatische Situation verarbeitet.
Das Kind findet seinen Rahmen zur Schmerzverarbeitung in dem Mitgefühl der Mutter, die das Trauma bereits gelöst hat. Es wird vielleicht die ersten Tage, in denen es wieder Kontakt zur Mutter hat, erst einmal oft weinen = natürlicher Schmerzprozess. Irgendwann, wenn das Kind dabei auf die Liebe, Verständnis und Mitgefühl der Mutter stößt, hat es dann das Geburtstrauma auch verarbeitet. So jedenfalls durfte ich dies im Jahre 2011 mit einer Klientin und ihrem Erstgeborenen erleben.
Ich mag dazu ein weiteres Beispiel geben, dass ich Ende Oktober 2015 beobachten durfte.

Bsp.: Liebevoller Umgang mit Verlustschmerz
Ich stand in einem Drogeriemarkt an der Kasse, vor mir legte ein junger Vater die Waren vom Einkaufswagen auf das Kassenband. Sein kleiner Sohn (ca. 11/2 - 2 Jahre alt) wollte unbedingt den Einkaufwagen weiterschieben und zog und zerrte an dem Wagen. Der Vater sagte ganz ruhig und liebevoll zu seinem Sohn, dass er erst die Waren auf das Band legen und bezahlen würde und dass sie dann den Wagen weiterschieben werden. Der kleine Mann begann daraufhin fürchterlich zu weinen - es war sogar ein bisschen Wut darin zu hören. Ich konnte das total verstehen, denn dem Kleinen wurde ja sein Wunsch nicht erfüllt. Der Vater schien es auch zu verstehen - er sagte ein paar liebevolle Worte zu seinem Sohn. Nach ca. einer Minute ging der Sohn zu seinem Vater und hielt sich an seinem Hosenbein fest und weinte bitterlich. Der Vater strich ihm zwei, drei Mal ganz liebevoll über sein Köpfchen und sagte verständnisvoll und sehr liebevoll zu ihm: "Ja, mein Schatz, es geht gleich weiter." In demselben Moment drehte sich der Junge um, ließ das Hosenbein vom Vater los, hörte schlagartig auf zu weinen und fing an den Einkaufswagen neugierig zu untersuchen.
Viele Menschen würden jetzt vielleicht denken, dass der Schmerz des kleinen Jungen ja nicht so schlimm gewesen sein konnte, wenn er so schnell aufhören konnte zu weinen. Oder manche würden vielleicht so über den Jungen urteilen, dass er durch das Weinen den Vater nur ‚überreden' oder tyrannisieren wollte, ihn den Wagen weiterschieben zu lassen.
Ich sehe das anders:
Hier trafen zwei Bedürfnisse aufeinander: Das Bedürfnis / der Wunsch des Vaters die Waren vom Einkaufswagen auf das Kassenband zu legen, um sie bezahlen zu können und das Bedürfnis / der Wunsch des Kindes den Wagen in seinem Spiel weiterzuschieben. Beide - Vater und Kind waren im weitesten Sinne bedürftig. Die liebevoll gesetzte Grenze des Vaters (der Sohn durfte den Wagen nicht weiterschieben) führte zu einem natürlichen Verlustschmerz beim Kind, denn sein Wunsch wurde nicht erfüllt. Diesen natürlichen Schmerz drückte das Kind sofort durch sein Weinen aus und er konnte sofort den Schmerz - einmal durch das Weinen, aber auch durch die Liebe und das Verständnis seines Vaters für seinen Schmerz - loslassen, als sein Schmerz fühlbar (über den Kopf streicheln) und hörbar (liebevolle Worte) durch den Vater gesehen, verstanden und geachtet wurde.
Schmerz muss nicht lange andauern, wenn er in einem verständnisvollen und liebevollen Rahmen geachtet und begleitet wird und frei fließen darf. Ich war so berührt von der Situation (weil ich so etwas in unserer Gesellschaft leider fast nie erlebe), dass mir die Tränen in den Augen standen.

Zu 3. Fehlendes Wissen über resonierende Empfindungen
Kaum ein Mensch in unserer Gesellschaft weiß über resonierende Empfindungen im Alltag bescheid. Jene Menschen, die bereits Resonanz und resonierende Empfindungen oder das sogenannte Morphische Feld (wie es in Fachkreisen genannt wird) innerhalb eines Aufstellungssettings erlebt haben, wissen, dass es diese Resonanz im Kontakt mit Menschen gibt. Aber auch von denen wissen einige nicht, dass diese resonierenden Empfindungen genauso im Alltag vorhanden sind.




Wir alle sind in Resonanz zueinander! Was bedeutet das?

Wir können zu allen Menschen in Resonanz sein, wenn wir unsere Aufmerksamkeit dahin richten - vor allem sind wir aber im direkten Kontakt mit einem Menschen mit ihm in Resonanz. D.h. wir können im Kontakt oder wenn wir an sie denken, bewusste und unbewusste Gefühle des anderen mit unserem eigenen Gefühl wahrnehmen. Wir nennen das "resonierende Empfindungen".
Eine einfache Form der resonierenden Empfindungen hat jeder von uns schon einmal bewusst erlebt:
Wenn Du in einen Raum mit dir fremden Menschen kommst, kannst du schon bald sagen, wer dir sympathisch ist und wer nicht. Oder vielleicht ist dir schon einmal aufgefallen, dass es Menschen gibt, in deren Kontakt du dich besonders gut, leicht und lebendig fühlst und dass es andere Menschen gibt, da fühlst du dich immer müde, schlapp und energielos. Das können alles resonierende Empfindungen des anderen sein. Natürlich müsste man dies von Mensch zu Mensch oder von Situation zu Situation neu überprüfen, indem man den anderen fragt, wie er/sie sich heute fühlt - was ja nicht immer möglich ist.
Besonders deutlich und bewusst kann man die resonierenden Empfindungen bei den Freien Systemischen Aufstellungen beobachten.

Exkurs: Was sind Aufstellungen?
Bei einer Aufstellung stellt die aufstellende Person ein Thema, ein Problem oder eine Frage auf, indem sie aus der teilnehmenden Gruppe Personen für die Rollen aussucht, die sie für ihr Thema benötigt. Die ausgesuchten Personen übernehmen dann freiwillig eine zugewiesene Rolle und fühlen sich in diese Rolle ein. Sie berichten der aufstellenden Person von den (neuen) Gefühlen, die sie in der Rolle fühlen und folgen auch den (Bewegungs-)Impulsen. So entsteht eine Art Improvisationstheater, das auch verdeckt erstaunlich gut funktioniert. ("Verdeckt" heißt, dass die aufstellende Person, den mitspielenden Teilnehmern die Rollen verdeckt zuteilt. Die Mitspieler wissen also nicht, welche Rolle sie spielen sollen - nur die aufstellende Person hat die Zuteilung der Rollen innerlich klar.) Die aufstellende Person entscheidet bei den Freien Aufstellung selbst, welche von den gezeigten Impulsen für sie stimmig ist und welche nicht. Die meisten aufstellenden Personen bestätigen, dass das Rollenspiel (die Aufstellung) ziemlich genau, der von ihnen empfundenen Realität entspricht. Das, was die Mitspieler in der Aufstellung fühlen (Gefühle und Impulse) sind die resonierenden Empfindungen der aufstellenden Person. So kann eine Problemsituation oft sehr exakt nachgespielt werden (auch verdeckt) ohne, dass die Mitspieler die Problematik kennen - sie fühlen es als Resonanz.

Zur Verdeutlichung:
Eine Frau kommt in eine Aufstellungsgruppe. Sie hat Probleme mit ihrem Ehemann.
Sie wählt aus der Gruppe einen Stellvertreter (Mitspieler) für sich selbst und einen Stellvertreter für ihren Ehemann aus. Die beiden Stellvertreter beginnen ein intuitives Rollenspiel, folgen ihren Impulsen und sprechen all das aus, was ihnen in den Sinn/ins Gefühl kommt. Dabei müssen die beiden Stellvertreter noch nicht einmal wissen, welche Rolle sie spielen und um welches Thema es sich handelt. Es funktioniert auch wunderbar verdeckt.

Ein Beispiel:
Während eines Workshops war ich selbst sehr müde - wie sich am nächsten Tag herausstellen sollte, war dies der Beginn einer fieberhaften Erkältung. Dennoch stand ich in einer Aufstellung für eine Rolle zur Verfügung. Trotz meiner ganz persönlichen Schwäche und Schlappheit fühlte ich mich IN DER ROLLE sehr energievoll - so energievoll, dass ich sogar auf einen Stuhl steigen musste. Die aufstellende Person teilte mir mit, dass das, was ich an Impulsen und Gefühlen aufzeigte, für sie absolut stimmig war.


Resonanz im Alltag
So, wie in den Aufstellungen ist es auch im Alltag. Doch den meisten Menschen ist es nicht bewusst, dass viele Gefühle im Kontakt mit anderen Menschen 'nur' Resonanzgefühle sind.

Einige Beispiele:
Bsp.: Dunkel war's - der Mond schien helle …
Vor einigen Jahren telefonierte ich mit meinem jetzigen Ehemann und wir versuchten in dem Telefonat zwei gegensätzliche Empfindungen unter einen Hut zu bringen. Nach einer Weile kam mein Sohn in den Raum das aus Oxymora bestehende Gedicht zitierend: "Dunkel war's, der Mond schien helle, als ein Auto blitzeschnelle langsam um die Ecke fuhr …"
Bsp.: Mieterin und ich …
Im Jahre 2010 war ich auf dem Weg, um mich mit einer neuen Mitmieterin für meinen Seminarraum zu treffen und fühlte mich sehr unwohl - als ob ein unangenehmes Gespräch auf mich zukäme. Ich hatte das Gefühl, dass sie wegen irgendetwas böse auf mich ist.
Als wir dann im Café saßen, begann die Dame das Gespräch damit, dass sie mir mittteilte, dass es ihr sehr unangenehm sei, mir mitzuteilen, dass sie den Raum erst einen Monat später mieten möchte und sie nun die Befürchtung hat, dass ich ihr deswegen böse sein.
Meine Gefühle waren eine Wahrnehmung von IHREN Ängsten und Befürchtungen gewesen.



Meine Gefühle - woher kommen sie?

Im Allgemeinen herrscht ja die Meinung, dass alle Gefühle in mir MEINE Gefühle sind und auch mit MIR zu tun haben. Es sind tatsächlich MEINE Gefühle, doch nicht immer haben sie wirklich mit MIR auch zu tun - sehr oft ist es nur eine reine Wahrnehmung (Resonanz), weil wir gerade einer anderen Person zur Verfügung stehen. Doch es gibt mindestens 2 Möglichkeiten:


Liegt die Ursache in mir:

... dann habe ich eine eigene Blockade, Grenze, Abwehr oder ich versuche einen alten Schmerz zu vermeiden. Die andere Person ist in solchen Situationen dann ein Spiegel für mich. Sie triggert mit ihrem Verhalten ein eigenes Problem in mir. Übertragen auf die Aufstellungen - ist die andere Person ein Stellvertreter / Mitspieler in meiner (Alltags-)Aufstellung und ich bin die aufstellende Person. Die andere Person steht also mir und meinem Problem zur Verfügung.

Bsp.: Raser auf der Autobahn
Stell dir vor, du fährst auf der Überholspur auf der Autobahn. Von hinten kommt ein sehr schnelles Auto mit Lichthupe angebraust. Da du aber gerade einen LKW überholst, kannst du für den Raser keinen Platz machen. Viele Menschen fühlen sich in dieser Situation unter Druck gesetzt und ärgern sich.
Diese Gefühle: "Druck, Ärger" könnten eine resonierende Empfindung zu dem Raser sein. Er könnte unter ZeitDRUCK stehen und ÄRGERT sich, dass alle heute so langsam fahren. Probiere einmal in dieser Situation innerlich zu dem Raser zu sagen: "Für dein Thema stehe ich gerade nicht mehr zur Verfügung. Du darfst drängeln und ich darf mein Tempo fahren." Verschwinden deine Gefühle von Druck und Ärger, dann hast du reine Resonanzgefühle zu dem Raser gefühlt.
Verschwinden sie nicht oder werden sie nur weniger, dann könntest du selbst noch ein Problem damit haben. Es könnte sein, dass du vielleicht Angst hast, dass der Raser mit dir einen Unfall baut und du deshalb Druck und Ärger fühlst, wie jemand nur so verantwortungslos Auto fahren kann. Dann liegt die Ursache IN DIR - ausgelöst durch den Raser.


Liegt die Ursache im Außen, in der anderen Person:

... dann nehme ich über die Resonanz zur anderen Person ihre Blockade, Grenze, Abwehr oder alten Schmerz in meinen Gefühlen wahr. Übertragen auf die Aufstellungen - ist die andere Person die aufstellende Person, die unbewusst ihr Thema im Alltag 'aufstellt' bzw. ich stelle mich ihr (meist unbewusst) als Stellvertreter / Mitspieler für ihre 'Aufstellung' zur Verfügung und kann - wenn mir das bewusst wird - mich frei entscheiden, dieser Person nicht mehr für ihr Thema zur Verfügung zu stehen (wie in dem obigen Bsp. schon beschrieben). Gelingt mir das Nicht-zur-Verfügung-stehen, dann verschwinden die Resonanz-Gefühle. Gelingt mir das nicht, dann habe ich oft selbst noch einen Veränderungswunsch an die andere Person.

Bsp.: Distanzgefühl
Es gab einmal eine Situation zwischen mir und meinem Mann, die das Zur-Verfügung-stehen im Alltag gut beschreiben kann. Wir begegneten uns morgens in der Küche zum ersten Mal an dem Tag und machten gemeinsam Frühstück. Als wir dann am Frühstückstisch saßen, berichtete mein Mann von seinen Gefühlen: "Es ist wirklich komisch heute. Ich fühle mich so distanziert zu dir." Da Distanzgefühle sehr häufig das Resonanzgefühl zu nicht verarbeitete Schmerzen sind, hatte er sehr gut wahrnehmen können, dass ich im Schmerz war. Ich bestätigte also sein Gefühl: "Ja, das ist auch kein Wunder. Mir ist beim Aufwachen eine alte schmerzvolle Situation aus meiner Kindheit in den Sinn gekommen und fühle im Moment den alten Schmerz - kann aber noch nicht darüber weinen und den Schmerz verarbeiten. Irgendetwas fehlt mir da noch."

Bsp.: Abwertungsgefühle
Im Kontakt mit einer Frau hatte ich immer wieder das Gefühl, dass ich sie am liebsten ständig abwerten wollen würde - wie blöd und dumm sie ist etc. Natürlich habe ich ihr das nie gesagt oder ihr gegenüber ausgelebt, stattdessen verurteilte ich meine eigenen Gefühle und Gedanken über sie. Das ging so lange, bis ich erfuhr, dass sie als Kind von ihren Eltern immer wieder für blöd und dumm gehalten wurde und dass die Eltern sie ständig abgewertet hatten. In dem Moment konnte ich meine Abwertungsgefühle ihr gegenüber als Resonanzgefühl einordnen und sie verschwanden.




Meine Erfahrungen:

Kinder stehen den Eltern und Lehrern in den allermeisten Fällen zur Verfügung.
Sie ordnen sich der Person unter, mit der sie Kontakt haben.
Dadurch stehen sie der Person zur Verfügung stehen und
deshalb sind ihre Gefühle in den meisten Fällen Resonanzgefühle.

 



Woran kann ich das erkennen, dass Kinder zur Verfügung stehen und Resonanzgefühle haben?

- Haben Sie es schon erlebt, dass Ihr Kind immer dann schlechte Laune hat oder ihnen Probleme macht, wenn Sie selbst schlecht darauf sind?
- Haben Sie es schon erlebt, dass ihr Kind ausgerechnet dann besonders stur und uneinsichtig ist, wenn auch Sie selbst auf etwas Bestimmten (Grenze, Verhalten) beharren.
Bsp. Sie wollen unbedingt, dass Ihr Kind etwas ganz Bestimmtes auf eine bestimmte Art und Weise macht und ihr Kind widersetzt sich - beharrt darauf, es nicht zu tun.
- Haben Sie es schon erlebt, dass Ihr Kind auf einmal exakt die gleichen Worte gebraucht oder die gleichen Verhaltensweisen an den Tag legt wie sie selbst?
- Haben Sie es schon erlebt, dass Ihr Kind Sie ausgerechnet immer dann stört, wenn Sie unbedingt nicht gestört werden wollen?
- Haben Sie es schon erlebt, dass Ihr Kind immer dann krank wird, wenn Sie nicht viel Zeit für es hatten?
- Haben Sie es früher als Kind erlebt, dass sie sich bei den ‚tollen' Lehrern gut und motiviert und bei den ‚doofen' gelangweilt gefühlt haben? … und dass Sie vielleicht in den Fächern, in denen die ‚tollen' Lehrer unterrichtet haben auch gut waren und in den anderen schlecht(er)?


Grundsätzlich: Wie und warum steht man zur Verfügung?

 


Dies sind Erfahrungen, die sich aus der konsequenten Beobachtung der Freien Systemischen Aufstellungen ergaben. Sobald sich die Teilnehmer als Stellvertreter für eine Rolle zur Verfügung stellten, fühlten sie die rollenspezifischen Gefühle. Aber auch jene zuschauenden Teilnehmer, die gerne anderen Menschen bei ihren Problemen helfen wollten, hatten Gefühle, die sich zum Thema der jeweiligen Aufstellung zu ordnen ließen. Genau dieses Phänomen ist auch im Alltag zu beobachten.


Wieso stehen dann die Kinder den Eltern zur Verfügung?


Sind die Kinder abhängig von den Eltern?
Ja, sie sind abhängig von Nahrung, Wärme und Geborgenheit. Fehlt das, sterben sie.
(siehe Experiment Friedrich II.)

Ordnen sich die Kinder den Eltern unter?
Mindestens so lange sie von den Eltern abhängig sind: ja.

Wollen die Kinder den Eltern helfen?
Ja, in zweiter Hinsicht - denn durch die Abhängigkeit zu den Eltern, geht es den Kindern gut, wenn es den Eltern gut geht. Somit ist die Hilfe für die Eltern eine Hilfe für sich selbst.

Wollen die Kinder die Eltern verändern?
Ja, unbewusst - in dem Fall, wenn die Eltern unverarbeitete Schmerzen in sich tragen, fühlt das Kind dies als Distanz und da Kinder Nähe zum Überleben brauchen, dient das 'Zur-Verfügung-stehen' evtl. der Veränderung der Eltern - hin zu mehr Offenheit und Nähe, wenn die Eltern den Spiegel der Kinder erkennen, annehmen und für sich nutzen können.

Wollen die Kinder von den Eltern lernen?
Ja, denn die Eltern haben bis dato überlebt, also können sie den Kindern alles beibringen, was zum Überleben notwendig ist. Die Eltern sind in den ersten Lebensmonaten das einzige Umfeld, in dem die Kinder lernen können. Das ist der eine Aspekt - der andere Aspekt ist, dass Kinder von Natur aus neugierig und lern-begeistert sind, solange es Spaß macht. Außerdem bedeutet 'von den Eltern lernen' auch Nähe zu ihnen.

Joachim Bauer schreibt in seinem Buch ‚Warum ich fühle, was Du fühlst' über die Entdeckung der Spiegelneurone und ihre Bedeutung für die Entwicklung eines Menschen.
Alles, was ein Mensch wahrnimmt, spiegelt sich in unserem Gehirn wider, so auch bei den Babys. Fehlen diese Spiegelungen, sprich: fehlen für das Gehirn Reize wie menschliche Sprache, körperliche Nähe und bewegende menschliche Gesichter, so schüttet der Körper vermehrt Adrenalin und Cortison aus, das das Kind aktiv werden lässt. Bleiben durch die Aktivität des Kindes die Reize dennoch aus, werden die Gehirnzellen durch die Stresshormone zerstört und das Kind stirbt.

Bsp. Experiment von Friedrich II.
Friedrich II. wollte die Ursprache herausfinden und wies seine Ammen an, die Babys nur zu füttern und zu wickeln und ansonsten weder zu tragen, zu wiegen noch mit ihnen zu sprechen - sie sollten die Babys einfach sich selbst überlassen. Alle Babys waren innerhalb eines Jahres tot.
Es ist also für ein Kind überlebenswichtig, neben der Nahrung auch andere Zuwendungen bzw. Aufmerksamkeit in Form von Sprache und körperlicher Nähe zu erhalten. Dabei scheinen die Babys ziemlich genau zu wissen, was ihnen bei ihren Eltern bzw. Bezugspersonen wirklich die zum Überleben wichtigen Reize verschafft. Es ist aber weniger ein Wissen, denn ein Fühlen. Die Babys nehmen über ihre eigenen Gefühle, die Gefühle der Eltern wahr und identifizieren sich damit - sie machen die resonierenden Gefühle zu ihren eigenen und drücken sie in ihrer kindlichen Spontanität aus. Somit schwingen sie mit ihren Eltern im Gleichgewicht.
Sind die Eltern gut drauf, fröhlich und guter Laune, dann fühlt es das Kind auch und wird dementsprechend auch fröhlich sein. Vorausgesetzt, die gute Laune ist keine Vermeidung oder Wegdrängen irgendwelcher Probleme. Die Kinder - vor allem die Babys - drücken die ehrlichsten Gefühle ihrer Eltern aus.
Tragen die Eltern noch unverarbeitete Ereignisse mit sich herum, spüren auch das die Kinder und drücken es aus und zwar so lange bis die Eltern entweder den Spiegel erkennen und das Thema lösen oder bis ihnen von den Eltern Grenzen gesetzt werden.

Bsp.: Schreiende Kinder und 'starke' Mütter

Ich habe es schon ein paar Mal erlebt, dass eine verweifelte Mutter zu mir in die Beratung kam, weil ihr Neugeborenes ständig schreit und sich durch nichts beruhigen lässt. Ich fragte die Mutter dann immer, wie sie sich dabei fühlt und meistens erhielt ich folgende Antwort:
"Ich fühle mich schrecklich. Das Kind tut mir so leid und ich würde am liebsten mitweinen."
"Warum tust du das dann nicht - mitweinen?" fragte ich dann.
"Naja, ich bin doch die Mutter - ich muss doch stark sein und für mein Kind da sein!" war und ist immer die Standard-Antwort.
Ich erkläre diesen Müttern dann immer, dass das Weinen ihrer Kinder eine Resonanz zu ihrem eigenen Schmerz sein kann. Das Baby fühlt den Schmerz der Mutter und drückt ihn spontan durch sein Weinen aus. Da die Mutter aber diesen Schmerz durch 'Selber weinen' nicht löst, geschieht diese Situation immer wieder. Würde die Mutter - angeregt durch das Weinen des Babys - selbst die Tränen fließen lassen, wäre der Schmerz der Mutter bald gelöst und das Baby könnte aufhören ständig/täglich zu weinen.
In einer Beratung fing das Baby gerade anzuweinen und ich sah, wie die Mutter mit den Tränen kämpfte und versuchte, mit aller Kraft die Tränen zurückzuhalten. Ich erklärte der Mutter das Phänomen der resonierenden Empfindung, nahm sie in den Arm und sagte zu ihr:
"Wenn du deine Tränen zulässt und deinen Schmerz ausweinst, dann muss es dein Baby nicht für dich tun. Du darfst auch einmal schwach sein und deinem Kind zeigen, dass Schwach-sein dazu gehört und völlig in Ordnung ist."
Daraufhin fing sie heftig anzuweinen - das Baby in ihrem Arm und beide weinten eine Weile gemeinsam. Beide hatten ein schweres Geburtstrauma hinter sich. Und je länger die Mutter weinte, desto ruhiger wurde das Baby, bis es schließlich in den Armen der weinenden Mutter friedlich einschlief. Seit dieser Situation hat ihr Baby nie wieder abends beim Einschlafen so schlimm und lang geschrien wie die Wochen davor.
Eine andere Mutter berichtete, dass sie selbst - angeregt durch meine Erklärungen - tagelang weinen musste, als sie es sich zu Hause auch erlaubte, mit dem weinenden Baby zu weinen. Dem Baby selbst ging es dabei blendend - es hatte bereits nach dem ersten Mal aufgehört, abends beim Einschlafritual zu weinen.

Hierzu noch ein Beispiel: Wut und Neurodermitis
Eine Mutter einer ca. 10-jährigen Tochter kam zu einem Aufstellungsworkshop, weil ihre Tochter mit Hilfe einer Aufstellung nach der Ursache ihrer Neurodermitis suchen wollte. Ich war damit unter einer Bedingung einverstanden: Sobald sich in der Aufstellungen zeigen sollte, dass das gestellte Thema mit den Eltern statt mit dem Kind zu tun hat, sollen die Eltern (in diesem Fall die Mutter) die Aufstellung weiter führen. Die Mutter war einverstanden. In der Aufstellung zeigte sich nach nicht allzu langer Zeit, dass die Mutter einen großen Schmerz bezüglich ihre eigenen Mutter verspürte. Dieser Schmerz war so groß, dass sie am liebsten wütend wäre. Ich lud sie ein, diesen Schmerz bzw. Wut einmal herauszulassen. Doch sie meinte: "Das bringt nichts. Das habe ich schon so oft gemacht und es hat nichts gebracht. Ich habe die Wut aus meinem Leben verbannt." Berichte der Mutter über den Alltag zeigten auf, dass niemand in der Familie wütend sein durfte.
Meine Deutung war letztendlich, dass vielleicht die Neurodermitis genau diese unterdrückte Wut spiegelt.

Bsp.: Wut zulassen
Ich selbst habe es anders erlebt. Ich hatte früher auch enorm viel Wut in mir drin. Ich habe die Wut oft auf ein Kissen der auf eine Matratze ausgelassen. Doch bei der Wut alleine ist es nie geblieben, denn ich habe immer nach dem eigentlichen Schmerz in mir gesucht, habe - während ich ‚Dampf abließ' - mich immer gefragt, was mich so wütend macht und die Antworten, die dann in mir hochkamen, aufgeschrieben oder laut ausgesprochen. Ich glaube, ich habe die Gefühle, die jahrelang in mir gespeichert waren, einfach nur `rausgelassen.


Was nimmt nun das Kind im Kontakt mit Erwachsenen wahr?


So lange Kinder noch frei alles ausdrücken dürfen, werden sie alle Gefühle - die eigenen und die Resonanzgefühle - spontan ausdrücken und sich somit von manchen belastenden Resonanzgefühlen befreien können. Werden von den Eltern strenge Grenzen gesetzt, wenn ein Kind die Resonanzgefühle zu den Eltern ausdrückt, dann wird das Kind die Resonanzgefühle nicht mehr ausdrücken können, um der Bestrafung der Eltern zu entgehen und diese Resonanzgefühle werden das Kind mit der Zeit belasten.
Dieses Phänomen kann man sehr gut auch in Aufstellungen beobachten. In jenen Aufstellungs-Settings, in denen die Stellvertreter / Mitspieler die Resonanzgefühle zu der aufstellenden Person nur dann ausdrücken dürfen, wenn sie durch den Aufstellungsleiter gefragt werden, fühlen sich die Stellvertreter / Mitspieler durch die Resonanzgefühle mehr belastet, als in jenen Aufstellungs-Settings, in den sie die Resonanzgefühle frei ausagieren oder ausdrücken dürfen.


Was nimmt denn das Kind wahr?
Alle Gefühle!
"Alle Gefühle " heißt: Das Kind nimmt auf der Gefühlsebene alles wahr, auch und besonders, wenn der Erwachsene es nach außen hin nicht zeigt. Ist das Kind noch nicht zu sehr unterdrückt und darf es noch spontan agieren, was es fühlt, wird es die Gefühle, die es in sich spürt, sofort ausleben. Es kann somit ein wunderbarer Spiegel für den Erwachsenen sein - wenn dieser dies sehen möchte und wenn dieser sich mit sich selbst auseinander setzen möchte.

Bsp.: Mein Gefühl - nicht deins!
Ich hatte die Nacht sehr schlecht geschlafen und bin mit dem Gefühl aufgewacht: ‚Ich habe überhaupt keine Lust aufzustehen!' Entgegen meines Gefühls habe ich mich aus dem Bett gequält, mich müde und lustlos angezogen und dann die Kinder geweckt - meine Müdigkeit und Lustlosigkeit hatte ich dabei etwas versteckt. Als ich meinen Sohn wecken wollte, meinte er: ‚Ich will nicht aufstehen, lass mich doch schlafen!' Ich sagte daraufhin zu ihm: ‚Hey, das ist mein Gefühl! Du brauchst mir für meine Müdigkeit und Lustlosigkeit nicht zur Verfügung zu stehen!" gab ihm einen Guten-Morgen-Kuss und ließ ihn liegen. Ein paar Minuten später hüpfte er fröhlich ins Bad und war dann auch am Frühstückstisch putzmunter, während ich weiterhin müde und lustlos am Tisch hing.
Neben den angenehmen ‚Dingen' in uns - die keiner Lösung bedürfen - nimmt es Folgendes wahr und drückt es spontan aus (WENN: es nicht durch Grenzen der Eltern eingeschränkt wird):

Hat der Erwachsene Sorgen / Ängste - macht sich das Kind auch Sorgen oder hat Angst davor.
Ich erlebe immer wieder Mütter, die sich darüber wundern, dass ihre Kinder im Kindergarten so schüchtern sind oder erst gar nicht (noch nicht) in den Kindergarten wollen. Jene Mütter sind oft selbst gegenüber Fremden sehr schüchtern oder vorsichtig.

Ärgert sich der Erwachsene - ärgert sich das Kind auch.
Bsp. Ich kannte einen Vater, der sich über alles und nichts tierisch aufregen konnte. Sein Sohn, damals ca. 15 Jahre, musste sich allerlei ärztlichen Untersuchungen unterziehen, weil er extreme Blutdruckschwankungen hatte. Während eines Arztbesuches, bei dem er ein Gerät zur 24-Std-Blutdruckmessung angelegt bekam, hatte er sich so aufgeregt, dass sein Blutdruck noch in der Arztpraxis hochschnellte. Hier hatte sogar die Arzthelferin gemeint, dass er sich nicht so aufregen dürfe, weil das seinen Blutdruck sichtbar hoch treiben ließe.

Hält der Erwachsene an einem Ziel fest (= Forderung/Erwartung) - reagiert das Kind mit Trotz (= Widerstand)
Hält der Erwachsene an einem Ziel fest, ist das nichts anderes als ein Widerstand gegen ein Ziel / Wunsch eines anderen. Nur dass man es bei den Erwachsenen meist 'Sturheit' und bei den Kindern 'Trotz' nennt. Im Prinzip könnte man es auch so ausdrücken: Wenn die Erwachsenen sich wehren bzw. eine Abwehr haben - nimmt das das Kind wahr und hat auch eine Abwehr.
Bsp. Als mein Sohn ca. 2 Jahre war und schon sehr gut seine Schuhe selbst anziehen konnte, ereignete sich öfters Folgendes: Immer wenn ich unter Zeitdruck stand und pünktlich aus dem Haus gehen wollte, hatte mein Sohn keine Lust, seine Schuhe anzuziehen. Beharrte ich darauf, dass er sie anzieht (egal, ob er es selbst tat oder ich), wurde sein Widerstand noch schlimmer. Ich erkannte bald, dass das immer nur dann war, wenn ich unter Zeitdruck stand. Also kalkulierte ich daraufhin immer 5 Minuten mehr für das Anziehen ein. Und siehe da: Meine Entspanntheit beim Anziehen übertrug sich auf meinen Sohn, denn er zog ab diesem Zeitpunkt immer fröhlich seine Schuhe an.
Was war passiert?
Ich hatte einen Widerstand / eine Abwehr gegen die Langsamkeit meines Sohnes und hielt unter jedem Umstand an meinem Ziel fest, dass wir uns JETZT anziehen und gehen müssen. Er hielt auch an seinem Ziel fest - nämlich, dass er keine Lust hatte, Schuhe anzuziehen und reagierte daraufhin genauso 'stur' wie ich.

Spricht der Erwachsene in einem strengen Ton - wird das Kind patzig antworten.
Hier stimmt das Sprichwort: Wie es in den Wald hinein schallt, schallt es auch wieder hinaus. Doch leider sind sich die Erwachsenen nicht bewusst, dass sie selbst die ersten sind, die in den Wald hinein schallen! Man braucht im Supermarkt nur Eltern mit ihren Kindern beobachten. In den meisten Fällen reden die Eltern in einem stengen Tonfall mit ihren Kindern und bekommen dann - wenn das Kind noch nicht zu sehr eingeschüchter ist - eine patzige Antwort.

Leidet der Erwachsene unter einem unverarbeiteten Schmerz und schließt die Konfrontation damit aus – provoziert das Kind durch sein Verhalten genau diesen Schmerz (durch Provokation oder durch Ausleben des Schmerzes).
Bsp. Wut-Schmerz
Mein größtes Sorgenthema über Jahre hinweg waren die entsetzlichen Wutanfälle meines Sohnes. Anfangs versuchte ich dem Herr zu werden, indem ich schimpfte und ihn sogar schlug. Doch ich fühlte mich danach ganz schlecht - wollte ich doch mein Kind nicht schlagen - aber was kann ich sonst noch tun? Ich entschied mich erst einmal nichts zu tun. Ich besprach mit ihm, dass er gerne wütend sein darf, wenn er dazu in sein Zimmer geht und nichts kaputt macht. Kissen und Stofftiere darf er gerne durch die Gegend werfen, um sich abzureagieren.
Jedes Mal, wenn er dann im Wutanfall steckte, wiederholte ich das Vereinbarte und er hielt sich im Großen und Ganzen daran. Doch mein Gefühl war nicht besser geworden: Ich war selbst wütend auf ihn, hatte jede Menge Stress und hatte immer noch das Gefühl, dass ich ihn kurz und klein schlagen könnte.
Das Vereinbarte war also keine Lösung für mich, sondern nur ein Schritt, um Schlimmeres zu verhindern. Damals hörte ich immer wieder von Olaf Jacobsen, dass ich ganz genau in mich hinein fühlen und mich nicht mehr gegen die Gefühle wehren solle, die immer dann hochkamen, wenn mein Sohn wütend war.
Beim nächsten Wutanfall meines Sohnes verschwand er wie vereinbart in seinem Zimmer und tobte darin. Ich setzte mich draußen vor der Tür und hörte zu, stellte mich der Wut - wenn auch mit einer Zimmertür - als Sicherheit für mich - dazwischen und beobachtete meine Gefühle, meine Gedanken und das, was die Situation in mir triggerte. Ich fühlte große Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht.
Auf einmal fühlte ich mich ganz intensiv an die Momente erinnert, in denen mein Vater früher gewütet hat und ein heftiger Schmerz stieg in mir hoch. Ich zog mich in mein Zimmer zurück und weinte den ganzen Schmerz aus. Danach ging es mir besser und ich ging zu meinem Sohn ins Zimmer. Er hatte sich auch beruhigt und wir konnte miteinander kuschelnd das gegenwärtige Problem, das zu dem Wutanfall geführt hatte, aus der Welt schaffen.
Wenige Zeit später bekam mein Sohn nochmals einen Wutanfall, rannte in sein Zimmer und knallte die Tür zu. Diesmal aber konfrontierte ich mich direkt mit seiner Wut. Ich ging in sein Zimmer und setzte mich mit dem Rücken an die Zimmertür. Er schrie, dass ich gehen sollte, doch ich blieb und weinte einfach und erklärte ihm unter Tränen, dass ich genau weiß, wie er fühlt und dass er wahrscheinlich meine eigene Wut fühlt und ausdrückt. Dass ich ihm nicht böse bin, sondern ihn gut verstehen kann.
Nach einer langen Weile kroch er in meinen Schoß und wir weinten gemeinsam all unsere Tränen aus.
Seit diesem Prozess hatte mein Sohn keinen Wutanfall mehr und war auch viel schneller wieder offen für ein klärendes Gespräch. Ich selbst fühle seitdem nur noch selten Stress und wenn es wieder vorkam, dann habe ich sofort reflektiert, was mir in der Situation noch Stress bereitete.

Bsp.: Streit am Tisch
Ich saß (im Jahre 2004) mit meinen Kinder beim Essen und sie stritten sich die ganze Zeit. Ich versuchte ständig die Streitereien zu beenden, doch es gelang mir nur kurz. Dann fiel mir plötzlich ein, dass die Kinder ja ein Spiegel für einen Schmerz in mir sein könnten und fing an zu überlegen, in mich hinein zu fühlen (wie ich mich bei den Streitereien fühle). Auf einmal war Ruhe am Tisch und meine Kinder aßen friedlich weiter. "Wie?" dachte ich, "Wieso hören sie auf zu streiten, wenn ich darüber nachdenke, welchen Spiegel mir die Kinder da bieten?" Die Antwort ist ganz einfach: Die Kinder spiegelten mir einen unbewussten Schmerz unter dem ich noch litt bzw. wodurch ich großen Stress bekam. Als ich mir des Spiegels bewusst wurde, brauchten sie es mir nicht mehr zu spiegeln, denn mir ist ja klar geworden, DASS sie mir etwas spiegeln und ich konnte mir darüber Gedanken machen.
Jahre später wurde mir jedoch erst klar, WELCHEN Schmerz mir die Kinder damals gespiegelt hatten. Ich saß bei meinen Eltern am Kaffeetisch und meine Eltern stritten ständig miteinander. Nach zwei Stunden verließ ich ihr Haus, fuhr mit dem Auto los, bog in die nächste Straße rechts ein und brach so heftig in Tränen aus, dass ich den nächsten Parkplatz ansteuern musste, um dort erst einmal in Ruhe eine viertel Stunde lang meinen Schmerz darüber ausweinen zu können, dass ich in so einem spannungsvollen Umfeld jahrelang gelebt hatte und groß geworden war. Wie schön wäre es gewesen, wenn die Eltern mit sich und mir hätten liebevoll umgehen können.

Will der Erwachsene Aufmerksamkeit – will das Kind auch Aufmerksamkeit.
Hier kann man auch schreiben: Ist der Erwachsene bedürftig, dann will das Kind noch mehr bedürftig sein.
Bsp.: Die telefonierende Mutter
Ich erlebe es in unserer Nachbarschaft regelmäßig, dass die Mutter sehr lange telefoniert und das Kind erst in normaler Lautstärke sagt: "Mama!" - Die Mutter reagiert nicht, sondern telefoniert weiter. Kurze Zeit später folgt ein weiteres: "Mama!" diesmal schon etwas lauter. - Die Mutter reagiert wieder nicht. Das geht so 5 - 6 Mal, wobei das Kind immer lauter wird. Bis die Mutter ihre eigene Bedürftigkeit über die des Kindes stellt und das Kind anbrüllt, dass es sie in Ruhe lassen soll.
Ich selbst habe es mit meinen Kindern zunächst ähnlich er- bzw. gelebt. Doch merkte ich bald, dass das so für mich nicht stimmig ist. So änderte ich mein Verhalten insofern, dass ich meinen Gesprächspartner kurz bat zu warten und wandte mich dann ganz und gar meinem Kind zu. Meist sind es nur kurze (aber für sie wichtige) Fragen, die meine Kinder dann stellen, die ich entweder kurz aber mit voller Aufmerksamkeit beantworte oder ich teile ihnen mit, dass ich gleich für sie da bin, wenn das Telefont beendet ist. So bekommen sie die gewünschte Aufmerksamkeit und ich kann mein Telefonat fortsetzen.
Sollte ein Kind das nicht akzeptieren wollen, kann man das Kind auch bitten, dass es das Telefonat nicht mehr unterbricht - ich mache das, wenn ich Klienten am Telefon habe. Dann teile ich meinem Kind mit, dass ich mitten in einer Beratung bin und da meine Kinder schon älter sind, verstehen sie das auch, ziehen sich zurück und warten, bis ich wieder frei bin.
Jüngere Kinder brauchen da etwas mehr Aufmerksamkeit als die Bitte, dass sie sich gedulden sollen. In diesen Zeiten habe ich entweder darauf geachtet, dass ich nicht arbeite, wenn meine Kinder anwesend waren, oder wenn es nur ein Gespräch unter Freundinnen war, habe ich die Freundin auf später vertröstet und meinem Kind die gewünschte Aufmerksamkeit geschenkt.

Alles, was wir aus unserem Leben ausschließen und was wir vermeiden - nimmt es wahr und stellt unbewusst diesen Ausschuss dar.
Das, was Erwachsene ausschließen, kann alles mögliche sein: ein Verhalten, ein Schmerz, ein Mensch.
Bsp.: Rommé-Spiel mit meinem Sohn:
2007 spielten mein Sohn Rommé und er gewann ein Spiel nach dem anderen. Da wir die Punkte aufschrieben, war ich schon haushoch am Verlieren. Es gab mir schwer zu denken, dass er wirklich JEDES Spiel gewann - allein von der Statistik her, kann das doch nicht sein! Ich vermutete wieder so einen ‚Resonanz-Haken', der bei mir zu suchen war. Während ich weiterhin verlierend spielte, begann ich zu überlegen: ‚Was wäre denn, wenn ich gewinnen würde? - Er würde enttäuscht sein, sich ärgern und mir dann vielleicht die Karten an den Kopf knallen! - Das war meine Vision. Ja, davor habe ich Angst. Ich vermeide, dass er wütend wird, weil ich Angst davor habe!' Ich entschied, dass ich seiner Wut zustimme werde. Prompt gewann ich das nächste Spiel und von da an jedes weitere Spiel. Irgendwann kam der Punkt, wo er frustriert und enttäuscht war. Doch statt wütend die Karten durch die Gegend zu pfeffern, zog er sich unter einer Decke zurück und stimmte Klagegeheul - das zwischen Enttäuschung und Spaß lag - an. Ich stimmte dem Ganzen nochmals zu und mein Sohn kam unter seiner Decke hervor und spielte tapfer weiter.
Ich hatte meinen Sieg / Erfolg ausgeschlossen, weil ich Angst vor der Wut anderer hatte und das erfolgreich mit meinen Niederlagen vermieden.

Ist der Lehrer von seinem Unterrichtsfach motiviert – dann fühlt sich das Kind auch motiviert und hat Spaß am Unterricht.

Du kennst das sicherlich, wenn ein Lehrer total begeistert von seinem Unterrichtsfach ist und auch in der Lage ist, den Unterrichtsstoff mit Freude und Spaß zu vermitteln, dann kann er viele Schüler ebenfalls begeistern, so dass diese leichter lernen und gute Noten schreiben.
Ich selbst liebte Sprachen über alles. So lernte ich bis zum Ende der Mittelstufe total begeistert englisch und französisch. In der Oberstufe bekam ich einen Französischlehrer, der sichtlich keine Lust mehr hatte und es fiel mir sehr, sehr schwer, meine eigene Begeisterung für das Fach aufrecht zu erhalten.

Zeigt der Erwachsene seine Gefühle nicht – zeigt auch das Kind seine Gefühle nicht.
Immer mal wieder kommen Mütter in mein Praxis, die sich Sorgen um ihr Kind machen, weil dieses ihnen nicht ihre Sorgen anvertraut. Meist stellt sich im Gespräch heraus, dass auch die Mutter kaum in der Lage ist, über ihre tiefsten Gefühle zu sprechen.

Diese Liste könnte ich ewig so fortführen ...


Es gibt heutzutage - Gott sei Dank - bereits einige bekannte Persönlichkeiten, die sehr darum bemüht sind, unserer Gesellschaft das Wissen zu vermitteln, wie wichtig ein liebevoller, verständnisvoller und achtungsvoller Umgang mit den Kleinsten der Kleinen (unseren Kindern) ist. Allen voran sind dabei folgende AutorInnen zu nennen (siehe auch unter Literatur): Maria Montessori, Jean Liedloff, Rebeca Wild, Alice Miller, Isabelle Filliozat, Jesper Juul, Arno Gruen, Eva Madelung und Gerald Hüther ...

Denn Kinder wachsen im Rahmen ihrer Eltern auf - stehen ihnen zur Verfügung und je offener, liebevoller und achtungsvoll dieser Rahmen ist, desto sicherer, geborgener kann sich ein Kind fühlen und desto freier kann es sich schließlich entfalten.

Bsp.: Hausaufgaben
Problem: Mein Kind macht einfach seine Hausaufgaben nicht ohne mich!
Eine Mutter berichtete, dass ihre Tochter zwar gut in der Schule sei, aber sie oft mit ihr zusammen Hausaufgaben machen müsse. Sie war der Ansicht, dass eine Viertklässlerin dies bereits selbständig erledigen können müsste, womit sie durchaus nicht unbedingt falsch liegt.
Die Frage ist aber: Warum möchte das Kind die Hausaufgaben nicht alleine machen?
Ich hatte in mehreren Stunden, in denen ich sie körpertherapeutisch behandelt hatte, die Erfahrung gemacht, dass das Mädchen sehr intelligent, aufgeweckt und neugierig war. Es konnte sich viele Dinge sehr gut merken. Gerade deshalb wurde ich sehr hellhörig, dass sie ihre Hausaufgaben mit der Mutter zusammen machen wollte. Ich vermutete ein Bedürfnis nach Nähe, die sie durch die Betreuung der Hausaufgaben durch die Mutter bekam. Denn die Mutter unterstützte gerne den Wunsch ihrer Tochter, gut in der Schule zu sein.
Ich begann Fragen über den Tagesablauf zu stellen und nach emotionaler Verschlossenheit bei der Mutter zu suchen. Das Mädchen erzählte mir dann, dass die Mutter nach der Arbeit oft schlecht gelaunt sei. Die Mutter bestätigte dies und ergänzte, dass sie oft noch mit den Problemen der Arbeit beschäftigt sei, wenn sie das Mädchen von der Schule aus der Nachmittagsbetreuung abholt. Außerdem sei sie oft so müde, dass sie viele Wünsche und Erwartungen an ihre Tochter hat. Und gerade in diesen Situationen stellt sich die Tochter quer und verweigert ihr den Dienst.
Ich fragte die Mutter, ob sie ihre Tochter, wenn sie sie abholt, erzählt wie es ihr geht. Die Mutter verneint das. Und genau hier scheint das Problem zu sein: Das Kind freut sich auf die Mutter, die sie nach einem langen Tag endlich wieder zu sehen bekommt. Doch die Mutter hüllt sich in Schweigen, weil sie noch mit den Arbeitsproblemen beschäftigt ist und das Kind damit nicht belasten will. Dadurch verschließt sich die Mutter aber gegenüber dem Kind.
Die Folgen davon sind, dass das Kind alles, was in der Mutter vorgeht, unbewusst wahrnimmt. Aufgrund dessen dass die Mutter dem Kind aber nicht mitteilt wie sie sich fühlt, welche Ursachen ihre Gefühle haben und dass diese Gefühle nichts mit ihrem Kind zu tun haben, kann das Kind dem Ganzen nur selbst eine Deutung geben. Kinder beziehen, das was sie in ihren Eltern wahrnehmen immer auf sich, so lange bis sie selbst erfahren oder die Eltern es ihnen mitteilen, dass die Probleme nichts mit ihnen zu tun haben.
Das Mädchen spürt also, dass die Mutter sich zurückzieht und erlebt ganz konkret - wenn auch unbewusst, dass die Mutter nicht über ihre Gefühle spricht. Der Überlebensmechanismus in dem Mädchen schlägt nun an, denn zum Überleben ist Nähe notwendig. Das Mädchen entwickelt eine Strategie, wie sie ihre Mutter für sich öffnen kann, um die lebensnotwendige Nähe zu bekommen. Da die Mutter selbst gute Noten in der Schule für wichtig hält, öffnet sich die Mutter, um ihrer Tochter zu helfen. So hat die Tochter es erreicht, dass ihre Mutter sich öffnet und für sie emotional da ist.
Als Ausweg aus der Krise bat ich die Mutter folgendes zu probieren:
Immer wenn sie ihr Kind von der Nachmittagsbetreuung abholt, sollen sich BEIDE - Mutter und Tochter - berichten, wie es ihnen geht und auch welchen Probleme sie gerade noch beschäftigen. Somit liegen alle Gefühle auf den Tisch. Wenn es der Mutter ein Bedürfnis ist, Ruhe zu haben, kann sie es ihrer Tochter kommunizieren, damit sie sich danach richten kann, und die Tochter das Bedürfnis der Mutter nach Ruhe nicht als Folge eines eigenen Fehlers fehlinterpretiert.



Kinder stehen für die Themen und Probleme der Erwachsenen zur Verfügung


Beispiel: Aufmerksamkeit bekommen oder schenken?
Vor einigen Jahren kam eine Realschullehrerin zu mir in die Beratung. Sie hatte das Problem, dass sie jeden Morgen mind. 10 Minuten benötigte, bis die Klasse so ruhig war, dass sie immer erst verzögert mit dem Unterricht beginnen konnte. Sie hatte schon alles probiert: Sie hat gebrüllt, dass sie leise sein sollen. Sie hat ganz leise geredet. Sie hat einfach mit dem Unterricht begonnen. Doch nichts hatte geholfen. Letztendlich brachte das kurze Gespräch zum Vorschein, dass sie sich Aufmerksamkeit von den Schülern wünschte.
Daraufhin erklärte ich ihr den Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-stehen und den Resonanzgefühlen: "Ihre Schüler müssen zur Schule gehen. Sie sind die Lehrerin. Die Schüler lernen von Ihnen, also stehen sie Ihnen zur Verfügung. Dadurch rutschen Ihre Schüler aber auch in die resonierenden Empfindungen zu ihnen und nehmen sie und Ihre ungelösten Probleme und Themen wahr. Sie wünschen sich sehnlichst Aufmerksamkeit - die Schüler gehen in Resonanz dazu und wünschen sich auch Aufmerksamkeit.
Ich habe eine Idee - einen Vorschlag für Sie: Wenn Sie morgen in das Klassenzimmer gehen, stellen Sie sich vor die Klasse und begrüßen in Gedanken jedes einzelne Kind: Martin, schön, dass du da bist - Anne, guten Morgen, Daniel, guten Morgen - Maria, schön, dich zu sehen ... usw. Oder Sie stellen sich an die Tür des Klassenzimmer und heißen jedes Kind mit einem Lächeln und einem "guten Morgen" willkommen. Wichtig ist, dass SIE jedem einzelnen Schüler / Schülerin Aufmerksamkeit schenken und auf ihren Wunsch nach Aufmerksamkeit verzichten."
Die Lehrerin probierte die Variante mit dem stillen, einzelnem Begrüßen vor der Klasse. Zwei Wochen später rief sie mich an und erzählte mir, dass es keine 5 Minuten dauerte, bis die Klasse ruhig war und sie mit dem Unterricht beginnen konnte. So schenkte sie den Kindern das, was sie selbst von den Kindern wollte.

Noch ein Beispiel: Worauf lenke ich als Eltern meine Aufmerksamkeit?
Ich selbst hatte nicht wenige Probleme - vor allem mit meinem Sohn. Und immer wieder bekam ich von Lehrern zu hören: ‚Ihr Kind bekommt zu wenig Aufmerksamkeit!' Ich konnte dies nicht verstehen. Ich hatte das Glück, einen Ehemann zu haben, der genug verdiente, so dass ich zu Hause bleiben und mich ganz und gar um die Kinder kümmern konnte. Ich kochte, bastelte, spielte, ging mit ihnen ins Schwimmbad - kurz: ich unternahm viel mit ihnen. Wieso mangelte es ihm anscheinend dennoch an Aufmerksamkeit?
Ich war verzweifelt! So verzweifelt, dass ich einer Lehrerin alles aufzählte, was ich so mit den Kindern machte und sie dann fragte, was ich denn noch alles machen soll? Sie wusste darauf keine Antwort. Auch die von ihr empfohlene Beratung beim pychosozialen Dienst brachte mich nicht weiter. Ich hörte immer nur, dass ich alles sehr gut machen würde und mich wirklich sehr intensiv - aber auch nicht übermäßig - um meine Kinder kümmern würde. Ich stand vor einem Rätsel: Mangelt es meinem Sohn nun an Aufmerksamkeit oder nicht?
Durch die Freien Aufstellungen kam allmählich Licht ins Dunkle. Aufgrund meiner sehr vielfältigen Erfahrungen mit den Freien Systemischen Aufstellungen weiß ich heute, dass ich mit meiner inneren oder auch emotionalen Aufmerksamkeit ganz woanders als bei den Kindern war. Ich war gebunden (oder auch ‚verstrickt' wie man es in Aufstellerkreisen nennt) an meine Eltern, an meine Ängste und Befürchtungen, unerfüllten Wünschen aus meiner Kindheit und an meine unverarbeiteten Traumata und Schmerzen.
Bsp. Kinder brauchen Zeit und Geduld zum Lernen. Ich hörte einmal eine Geschichte über eine Frau, deren Kind ihr im Garten helfen wollte. Sie gab ihm zur Aufgabe den Rasen zu mähen. Als sie etwas später wieder in den Garten kam, waren neben dem Rasen auch einige Blumenbeete gemäht. Sie fing an zu schimpfen, so dass ihr Mann in den Garten gelaufen kam, die Frau in den Arm nahm und meinte: "Ziehen wir Kinder groß oder Blumen?"
Diese Frau war in dieser Situation nicht bei ihren Kindern - sie war bei ihrem Verlust über die Blumen.

Je mehr ich in den Aufstellungen und auch im Alltag diese Verstrickungen lösen, die unerfüllten Wünsche loslassen oder erfüllen und meine alten Schmerzen verarbeiten konnte, desto mehr war ich mit meiner Aufmerksamkeit wirklich bei meinen Kindern - statt bei irgendeinem materiellen Verlust und desto weniger wurden die Probleme mit meinem Sohn.
Ich durfte erfahren, dass ich als Elternteil es voll und ganz in der Hand habe, dass sich die Probleme, die ich mit meinem Kind habe, lösen können. Diese Erfahrung war für mich unglaublich wertvoll, denn sie katapultiert mich aus der Hilflosigkeit heraus ins Handeln.
Wie viele Mütter rennen mit ihren Kindern von einem Therapeuten zum anderen und der Erfolg bleibt aus? Es gibt sicherlich einiges Wenige, dass die Therapeuten durch die Behandlung der Kinder bewirken können - vor allem, wenn die Eltern ihre Themen nicht lösen können, weil entweder der Schmerz zu heftig ist, um den Alltag noch leben zu können, oder weil der stimmige Rahmen zur Lösung der Themen nicht vorhanden ist..
Die größten, tiefgreifensten und dauerhaftesten Veränderungen geschehen dennoch nur durch die Eltern selbst.



Grenzen setzen - aber richtig - liebevoll !!

Es ist schier unmöglich als Erwachsener (Eltern) immer auf die Bedürfnisse der Kinder so einzugehen, dass die Bedürfnisse so erfüllt werden, wie das Kind es sich wünscht. So passiert es - wie schon oben beschrieben, dass der Erwachsene auch in die Rolle des Bedürftigen rutscht. Dies ist per se nicht schlimm - zeigt es doch eher, dass wir (Erwachsene und Kinder) doch nur Menschen sind - mit Wünschen, Fehlern und Bedürfnissen.
Stehen sich nun die Bedürfnisse des Erwachsenen und des Kindes in einer Situation gegenüber, passiert es oft, dass der Erwachsene die Erfüllung seiner Bedürfnisse durchsetzt. Auch das ist per se nicht schlimm - wenn das Kind kein hilfloses Baby mehr ist. Jene Kinder, die schon etwas selbständiger sind, lernen erstens somit, dass andere auch Bedürfnisse haben, die sich nicht unbedingt mit seinen eigenen decken und zweitens lernen sie den Umgang mit Verlust.
Das alles wird kein Drama werden, WENN der Erwachsene Folgendes beachtet:


Sinnvolle Grenzen setzen.

Authentische Grenzen setzen.
Liebevoll Grenzen setzen.
Den durch die gesetzte Grenze entstandenen Verlust
liebevoll begleiten.



Sinnvolle Grenzen setzen.
Es gibt viele Eltern (auch ich), die ihren Kindern bestimmte Dinge verbieten, nur weil sie es so kennen, weil sie es so gewohnt sind.
Bsp. Ich (damals auch noch Kind) kannte mal einen Jungen, der durfte kein Wasser aus dem Wasserhahn trinken. Als meine Mutter ihn dabei ertappte, fühlte er sich erwischt, hatte Angst und bat meine Mutter, dass sie es nicht seiner Mutter sagen solle. Ob die Grenze seiner Mutter sinnvoll war?
Bsp. Früher hieß es immer, dass ich vor dem Essen kein Obst essen darf. Als ich dann in der Schule lernte, dass Obst vor dem Essen gegessen werden sollte, da es leichter verdaulich ist, wurde diese Grenze aufgehoben.
Viel zu schnell sagt man einfach 'nein' auf die Frage des Kindes: "Mama (oder Papa), darf ich ...." Wenn dann das Kind stichhaltige Argumente für ein 'ja' bringt, kann ich sehr schnell nachgeben - manch andere Eltern bleiben aber hart - egal wie überzeugend die Argumente des Kindes sind. Die resonierenden Empfindungen der Kinder darauf sind Trotz und Widerstand.

Authentische Grenzen setzen.
Wenn dein Kind etwas macht, was dir eigentlich missfällt, dann solltest du auch liebevoll eine Grenze setzen. Denn dein Kind kann deine innere Grenze fühlen. Doch wenn du selbst deine Grenzen ignorierst, dann distanzierst du dich von dir selbst. Diese Distanz ist für dein Kind fühlbar und da Kinder Nähe fühlen wollen und Nähe auch brauchen, wird dein Kind dir in Resonanz zu dir deine eigene 'Ignoranz deiner Grenzen' spiegeln und deine Grenze immer mehr überschreiten (dir auf der Nase herum tanzen), bis du es schaffst, ihm liebevoll eine ernst gemeinte Grenze zu setzen.

Bsp. Gefühle zeigen und kommunizieren, aber liebevoll
2009 schaute ich einige Mittwoche um 20.15 Uhr im RTL die Sendung "Teenager außer Kontrolle" - eine Dokumentation über eine 2-monatige Therapie von 6 deutschen Jugendlichen. Annegret Noble ist die leitende Therapeutin (und Autorin des gleichnamigen Buches) und geht mit sehr viel Feingefühl, Geduld und Verständnis, aber auch mit Konsequenz vor. Im 2. Teil der Staffel erhalten die Jugendlichen nach 5 Tagen Aufenthalt in dem Camp zum ersten Mal einen Brief von ihren Eltern - je einen von jedem Elternteil. Die Eltern hatten von Annegret Noble die Aufgabe bekommen, alles aufzuschreiben, was dazu geführt hat, dass die Jugendlichen jetzt in der Therapie sind und vor allem, WAS die Eltern fühlen, damit die Jugendlichen nochmals einen Hinweis bekommen, an was sie arbeiten können.
Annegret Noble hat jedem Jugendlichen diesen Brief vorgelesen. Selbst die ‚coolsten' Typen, mit den größten Schutzmauern, über die in den 5 Tagen noch keiner drüber schauen konnte, haben sich durch diesen Brief geöffnet, hatten ALLE Tränen und sagten ALLE: "Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass mein/e Mutter/Vater mir überhaupt sagt, wie sie/er fühlt. Ich habe noch nie von ihr/ihm gehört, dass ich sie verletzt habe. Sie/Er hat immer gesagt: "Ja, schlag noch mehr. Mir macht das gar nichts aus!" oder auch: "Ich habe meine Eltern noch nie weinen gesehen!" Es geht darum, dass die Eltern ihre Kinder mit allen Gefühlen konfrontieren UND gleichzeitig den Kindern vermitteln, dass sie NICHT schuld sind. Dies geschieht am Einfachsten, wenn die Eltern trotz schmerzhafter Gefühle, liebevoll bleiben.
Es war sehr berührend für mich zu sehen, wie dann die Jugendlichen auf einmal Motivation bekamen, sich bei den Eltern zu entschuldigen, an sich zu arbeiten und ihren Eltern beweisen zu wollen, dass sie diese Therapie erfolgreich abschließen werden.
Natürlich sollte man hier auf jeden Fall im Blick behalten, dass die Jugendlichen auch Spiegel für ihre Eltern waren. Ich vermute, dass Eltern, die von ihren Kinder beschimpft und geschlagen werden, dies auch in ihrer Kindheit durch ihre eigenen Eltern erfahren haben und den Schmerz und die Angst vor den Beschimpfungen und Schlägen noch in sich tragen!

So gibt es zwei Seiten, an denen man arbeiten kann:

1. Die Eltern und
2. Die Kinder, aber:
  ... je kleiner das Kind, desto mehr sollten NUR die ELTERN an sich arbeiten, um erfolgreiche Veränderungen zu erreichen.
  ... je älter das Kind, desto mehr muss auch das Kind therapeutisch betreut werden, weil es durch die Eltern schon (unschuldig) Verletzungen erfahren hat, die es noch nicht verarbeiten konnte.



Liebevoll Grenzen setzen.
Es ist sehr wichtig, dass alle Grenzen, die man setzt (ob sinnvoll oder nicht - ob authentisch oder nicht), LIEBEVOLL gesetzt werden. Denn:



Den durch die gesetzte Grenze entstandenen Verlust liebevoll begleiten.
Auch wenn Grenzen liebevoll gesetzt werden, enthalten sie immer noch EINEN VERLUST.
Daher sollte das Kind diesen Verlust(schmerz) betrauern (verarbeiten) können durch:

...
Weinen,
...
"Schade" sagen,
...
Rückzug bzw. Sich-Schützen-können.

Dies ist der natürliche Umgang mit einem Verlust, den leider viele Erwachsene nicht mehr kennen. Kann oder darf der Verlust nicht betrauert / bearbeitet werden, kann es sein, dass so etwas wie ein kleines oder großes Trauma bis ins Erwachsenenalter hinein reicht.



Wieso gelingt es den wenigsten Menschen, Grenzen liebevoll zu setzen?

Eines beobachte ich immer wieder: Kaum ein Elternteil kann wirklich liebevolle, klare Grenzen setzen bzw. konsequent bleiben.
Vor einigen Jahren - als meine Kinder noch klein waren - habe ich an mir selbst Folgendes beobachtet und konnte es später auch bei vielen anderen Eltern immer wieder beobachten:
Ich konnte keine Grenzen setzen, weil ich das Gefühl hatte, dass ich mit meiner Grenze mein Kind verletze oder seine spontanen Impulse unterdrücke. Mein Kind sollte sich doch ganz frei fühlen dürfen (anders als mir es als Kind ergangen ist). Und wenn ich mal eine Grenze gesetzt hatte, tat es mir so leid, dass mein Kind dann enttäuscht, verletzt und traurig war.
Doch auf die Dauer und als die Kinder älter wurden (und ich auch) merkte ich, dass ich an die Grenzen meiner Belastung kam. Es gab Phasen, da habe ich keine Grenzen gesetzt und irgendwann ist dann der Kragen geplatzt und es gab aus heiteren Himmel massive Grenzen, die die Kinder natürlich total verschreckt haben. Danach tat es mir auch immer sehr leid, doch ich hatte so sehr unter den nicht gesetzten Grenzen gelitten, dass ich diesen NOTAUS brauchte.
Da ich mich dazu entschieden hatte, dass dies so nicht weiter gehen sollte, begann ich mich zu beobachten und stellte eben fest, dass schon sehr lange vor dem Notaus in mir Grenzen vorhanden waren, die ich nicht wagte (oder auch nicht wollte) auszudrücken. Natürlich war ein Grund dafür, dass ich auch von mir wusste, dass ich die Grenzen nie liebevoll setzen konnte. Da ich meine Kinder mit meiner Lieblosigkeit und Härte nicht verletzen wollte, zögerte ich das Grenzen setzen so weit hinaus, wie es nur ging.

Also nochmals zusammengefasst:
Ich setze keine Grenzen, weil:

- ich Grenzen nicht liebevoll kommunizieren konnte und ...
- ... meine Kinder mit meiner Härte nicht verletzen wollte
(wobei ich in der Notaus-Situation meine Kinder ja trotzdem verletzt habe.)
- ich meinen Kinder Freiheit bieten wollte (die ich nicht gehabt hatte).
- ich den Verlustschmerz meiner Kinder beim Grenzen setzen nicht ertragen konnte.



Ganz klar:
Ursache war mein Erleben in der Kindheit - ich habe sehr streng und hart Grenzen gesetzt bekommen - zum großen Teil mit Schlägen. Und genau das wollte ich für meine Kinder nicht und war aber verzweifelt, dass ich es nicht schaffte.

Was ist in meiner Kindheit geschehen?
Ich konnte den Schmerz über die Grenzsetzung meiner Eltern nicht verarbeiten, weil ich den Verlustschmerz unter Strafe nicht zeigen durfte. Mein Gehirn hat daraus die Verknüpfung hergestellt:
Grenzen setzen = Schmerz
Die Grenzen, die meine Eltern mir setzten, wurden streng und hart und teilweise mit Schlägen oder Ohrfeigen gesetzt, d.h. die Art und Weise, wie meine Eltern die Grenzen setzten verletzte mich.
Grenzen setzen = Gefühle unterdrücken
Wenn ich aufgrund des harten und strengen Grenzen-setzens meiner Eltern meinen Schmerz ausgedrückt habe, wurde ich dafür oft auch bestraft. So lernte ich meine Gefühle zu unterdrücken.
Mich zu schützen war verboten
Gleichzeitig wurden meine eigenen Grenzen (z.B. mein Zimmer, in dem ich vor dem Schimpfen Zuflucht suchte, nicht geachtet).

Erst als ich erwachsen war lernte ich:
Grenzen sind wichtig!
Grenzen sind sinnvoll und sehr wichtig für das gemeinsame und achtungsvolle Zusammenleben.
Grenzen können einen Verlustschmerz hervorrufen, der sein darf!

Jeder darf traurig sein, wenn er eine Grenze erfährt.

Und damit habe ich angefangen: Ich habe versucht, meine eigenen Grenzen in mir frühzeitig wahrzunehmen und zu kommunizieren (so liebevoll wie möglich) und mich dann dem Verlustschmerz meiner Kinder zu stellen, ohne die Grenze wieder zurückzuziehen.
Das war gar nicht so einfach, denn dadurch, dass meine Kinder ihre Verlustschmerzen ausgedrückt haben, fühlte ich mich natürlich an meine eigenen Verlustschmerzen erinnert. Situation für Situation habe ich so meine eigenen, gespeicherten Verlustschmerzen aus meiner Kindheit von meinen Kindern getriggert bekommen und durch Weinen verarbeitet. Und mit der Zeit konnte ich besser unterscheiden, welche Grenzen für mich wirklich wichtig waren und diese dann viel liebevoller setzen und meine Kinder in ihren Verlustschmerzen besser begleiten.
Dabei ist auch zu beachten, dass - wenn man beginnt, die Verlustschmerzen der Kinder zuzulassen und zu begleiten - natürlich auch die alten Verlustschmerzen, die die Kinder zuvor nicht zulassen durften, hoch kommen werden. D.h. die erste Zeit nach 'Einführung des Zulassens der Verlustschmerzen' können die Kinder ganz fürchterlich weinen oder sogar wütend sein.

Beispiel: Schaukel
Ich hatte als Kind zu Ostern eine Schaukel geschenkt bekommen. Meine Mutter stieß mich an (ich war ca. 3 Jahre alt) und das Nachbarkind stand am Pfosten der Schaukel und schaute zu. Nach einer Weile meinte meine Mutter, dass nun das Nachbarkind auch mal schaukeln darf. Ich lehnte mich gegen die Entscheidung auf, weil ich noch weiter schaukeln wollte. Meine Mutter nahm mich kurzerhand aus der Schaukel und ich brüllte und weinte, weil ich das nicht wollte. Als Strafe für mein Theater bekam ich einen Klaps auf den Po.
Hier wurde zunächst meine Grenze nicht gewürdigt, dass ICH die Schaukel geschenkt bekommen hatte und dass sie ganz neu für mich war.
Und als zweites wurde mein Verlustschmerz nicht gewürdigt, sondern bestraft.
Wie würde ich heute vorgehen?
Ich würde meinem Kind den Hinweis geben, dass das Nachbarkind auch den Wunsch hat zu schaukeln und dass ich es schön fände, wenn es das Nachbarskind auch schaukeln lassen würde. Dabei würde ich meinem Kind ganz die Freiheit lassen, wann es zum Abgeben bereit ist. Zu dem Nachbarkind würde ich sagen, dass mein Kind die Schaukel gerade frisch geschenkt bekommen hat und diese Geschenk jetzt erst einmal auskosten möchte, so dass das Nachbarkind im Moment noch nicht schaukeln kann. (Hier wäre der Verlustschmerz beim Nachbarkind)
Manch einer wird jetzt vielleicht sagen, dass mein Kind doch zum Teilen erzogen werden müsste. Ich denke aber, dass das Teilen eine Sache des Herzens und nicht der Erziehung ist. Wenn mein Kind das Gefühl hat, in der Fülle zu leben, dann kann es auch teilen - ganz allein von sich heraus.

Nochmals zusammengefasst, warum Eltern keine Grenzen setzen können:

In der Kindheit der Eltern wurden Grenzen:

... mit Strenge (= Verletzung)
... mit Verbot, den Verlust zu verarbeiten (= Gefühle unterdrücken)
... mit Verbot, sich zu schützen (z.B. durch Weggehen)

… gesetzt.


Die Folge ist: Eltern wollen keine Grenzen setzen, weil:

... sie ihre Kinder nicht verletzen wollen.
... sie ihre Kinder nicht einengen wollen.
... sie mit dem ausgedrückten Verlust(schmerz) der Kinder nicht umgehen können,
weil dadurch ein eigener Schmerz getriggert wird.


Doch die eigentlichen Folgen sind:

- Die Kinder sind verwirrt: Sie nehmen die Grenze wahr und gelebt wird das Gegenteil.
- Die Kinder tanzen den Eltern und anderen auf der Nase herum. (= Provozieren der Grenzen),
mit dem Ziel: authentische Eltern (Nähe) durch authentische Grenzen.
- Den Eltern platzt irgendwann der Kragen, weil das Verleugnen des Inneren nicht ewig möglich ist.
(= Grenze wird mit Härte/Strenge gesetzt.)




Eltern können ihre empathisch und liebevoll-begleitende Rolle gegenüber den Kindern nicht einnehmen. Warum?

1. Die Kinder spiegeln den Eltern eine unverarbeitete Situation/Schmerz. Dadurch wird u.U. bei den Eltern ein altes Trauma getriggert.
2. Die Eltern befinden sich dadurch emotional gesehen wieder in der Kindheit. (= Altersregression) - sie werden zum bedürftigen Kind.
3. Folge: Alle Gefühle aus der vergangenen Situation sind wieder da: Hilflosigkeit, Ohnmacht, sich klein und blöd fühlen, Schmerz. Die Eltern fühlen sich ‚klein‘ – wie ein Kind.
4. Dabei sehen die Eltern auch oft in ihrem Kind die Ursache für ihre Unwohlgefühle, wobei sie somit selbst die Rangfolge vertauschen: Die Eltern sind das bedürftige Kind. - Das Kind ist der verantwortliche Große.
5. Dann greift die erlernte Gefühlsunterdrückung bei den Eltern:
… Vermeidung der ‚unguten‘ Gefühle und
… scheinbare Herstellung der ‚Machtverhältnisse‘ mit Härte / Strenge (= harte, strenge Grenzen),
damit die Eltern sich wieder ‚groß‘ fühlen können.

Der einzige Ausweg daraus:
LÖSEN ... der unverarbeiteten, alten Schmerzen,
LERNEN ... neuer Verhaltensweisen.


Wie funktioniert das?
LÖSEN:

... Wissen: Die auftauchenden Gefühle haben NICHTS mit dem Kind zu tun!
Das Kind ist nur Auslöser - nicht Ursache!
... Gefühle zur vergangenen Situation und der entsprechenden Person zuordnen!
... Kind schützen und sich selbst die Gefühle erlauben (zulassen).



LERNEN

... Wissen: Die auftauchenden Gefühle haben NICHTS mit dem Kind zu tun!
... z.B. scheinbaren ‚Befehle‘ des Kindes in Wunsch nach Nähe umdeuten und liebevoll darauf reagieren.
... z.B. ‚Wut‘ des Kindes als unterdrückten Schmerz deuten und liebevoll darauf zu reagieren bzw. begleiten.

 



Da das Kind abhängig ist von dem Erwachsenen und sich dem Erwachsenen und seinem Rahmen immer anpasst, kann es selbst nie etwas ändern. Es ist deshalb auch abhängig von der Offenheit oder Verschlossenheit des Erwachsenen, sich seinen eigenen Themen zu stellen.
Wenn die Erwachsenen - ob Eltern oder Lehrer - erst einmal erkannt haben, dass nur SIE wirklich etwas dauerhaft ändern können - ohne die Kinder zu brechen und zu verletzen, sondern den Kindern ihre spontanen Impulse zu lassen, dann ist schon das Meiste gewonnen.
Doch oft, wenn wir (als Eltern oder Lehrer) vor einer problematischen Situation mit Kinder stehen, ereilt uns ein Gefühl der Ohnmacht, Machtlosigkeit, Ratlosigkeit. Und genau diese Gefühle gehören schon zu ‚unserem' Problem dazu!
Nun kann man vielleicht so einen Lösungsprozess - wie in dem Beispiel mit der Wut meines Sohnes - als Eltern noch auf diese Art und Weise sofort und in der Situation machen. Aber als Lehrer in der Schule wird es jedoch schwierig - das gebe ich zu. Doch man muss nicht immer das Problem sofort lösen. Man kann sich das Problem auch merken und dann nach der Schule lösen - für die Zeit, in der das Problem noch nicht gelöst ist, bedient man sich Behelfsmaßnahmen, wie Vereinbarungen und nutzt die Krisensituation, um das Problem noch genauer zu beobachten.




Was kann man nun bei Problemen mit Kindern tun?


Sich bewusst machen: Ich habe die Macht, alles zu verändern.
Alltag bzw. Gefühle beobachten
eigene Ängste, Grenzen, Befürchtungen entlarven / bewusst machen / ggf. auflösen
Sich fragen: Wogegen wehre ich mich gerade? Wo bin ich nicht offen?
Den „Spiegel“ der Kinder entdecken und lösend für sich nutzen.
Gefühle / Grenzen kommunizieren.
Freie Systemische Aufstellungen nutzen.


Ziel:
In seinen Reaktionen die Wahl haben!



Was ist der „Spiegel“ der Kinder?


Was bedeutet das, wenn man sagt: "Die Kinder spiegeln dir dein Thema/Problem/Schmerz!" Der Spiegel kann sehr vielfältig sein. Dies sind die Möglichkeiten, die wir in den Freien Aufstellungen beobachten konnten:

Die Kinder spiegeln die Eltern der Eltern
... das bedeutet, dass die Kinder sich in manchen Situationen so verhalten wie die eigenen Eltern der Eltern. Z.Bsp. wie in dem Bericht von Annegret Nobel die Jugendlichen ihre Eltern beschimpft und geschlagen haben. Es muss nicht immer so extrem sein. Es kann auch sein, dass Eltern sich durch die vielen begeisterten Wünsche ihres Kindes gegängelt und verpflichtet fühlen, die Wünsche wie Erwartungen der Eltern zu erfüllen.

Die Kinder spiegeln die eigenen Eltern als Kind oder auch nur vergessene Anteile der Eltern als Kind

... das bedeutet, dass die Kinder sich so fühlen oder verhalten wie wir Erwachsene als Kinder uns verhalten oder gefühlt haben. So kann eine Jugendliche z. Bsp. Ekel beim ersten Geschlechtsverkehr fühlen, weil die Mutter durch ihren Vater missbraucht worden ist und den Anteil von ihr, der sich davor geekelt hat, weit in den Tiefen ihres Gehirns vergraben hat.

Die Kinder spiegeln Verhaltensweisen, die die Eltern ausschließen bzw. gegen die sich die Eltern wehren.
Das hat bestimmt schon jeder von uns erlebt: Je mehr wir uns als Erwachsene gegen ein Verhalten der Kinder wehren, desto häufiger und intensiver wird sich das Kind so verhalten. Je mehr ich mich dagegen wehre, dass mein Kind nicht heimlich raucht, desto mehr wird es das heimlich tun. Je mehr ich mich dagegen wehre (anstatt liebevoll Grenzen zu setzen), dass mein Kind Schimpfwörter benutzt, desto mehr Spaß wird es dabei haben.

Die Kinder spiegeln einen unverarbeiteten Schmerz der Eltern, den diese vermeiden
Meist haben die Eltern selbst in ihrer Kindheit Situationen erlebt, die für sie sehr schmerzvoll waren und die sie mangels mitfühlendem Rahmen nicht verarbeiten konnten. Die Kinder kreiieren unbewusst Situationen in der Gegenwart, die bei den Eltern Gefühle triggern, die dieselben sind, wie die Eltern es damals als Kind empfunden haben. So kann ein krebskrankes (und vom Tode bedrohtes) Kind bei seiner Mutter die gleichen Verlustängste und -schmerzen zum Vorschein bringen, wie die Mutter es beim frühen Tod ihrer Mutter als Kind gefühlt hat. So kann der ständige Streit der Geschwisterkinder den Vater in die gleichen Gefühle bringen, die er immer beim Streit seiner Eltern gefühlt hatte.

Die Kinder spiegeln Personen, die die Eltern ausschließen
Wenn z.Bsp. eine Mutter abwertend über den Vater der Kinder denkt oder redet, dann kann es sein, dass eines der Kinder anfängt, sich wie der Vater zu verhalten. Oder wenn die Mutter sich im Streit von ihrer Mutter (Großmutter des Kindes) getrennt hat, dann kann es sein, dass das Kind anfängt, wie sich die Großmutter zu verhalten.

=> Die Basis all dieser Möglichkeiten des Spiegels sind: UNVERARBEITETE SCHMERZEN !
Warum ist das so?
Unverarbeiteter Schmerz wird vom Kind als Distanz gefühlt. Kinder brauchen / wünschen aber fühlbare, emotionale Nähe zum Überleben. Der Spiegel bringt im besten Falle den Schmerz der Eltern an die Oberfläche, um gesehen und gelöst zu werden, damit Nähe wieder fühlbar ist.



Die Schwierigkeit ist dabei:
Der Erwachsene muss für eine dauerhafte Lösung, die ALLE Beteiligten dauerhaft gut fühlen lässt, bereit sein:
- zu reflektieren,
- den eigenen Schatten - das eigene Täter-sein zu erkennen,
- schmerzhaften, vergangenen Situationen ins Auge zu blicken
- und zuzustimmen, sich auch einmal klein, schwach und hilflos zu fühlen,
- die eigenen Schmerzen mit Tränen zu verarbeiten.



Freie Systemische Aufstellungen können helfen …


... im eigenverantwortlichen, liebevollen und verständnisvollen Rahmen Themen anzuschauen und ggf. weiterzuentwickeln und unverarbeitete Schmerzen zu verarbeiten.
... den Spiegel der Kinder zu erkennen, zu verstehen und lösend zu nutzen.
... eigene Wünsche und Grenzen wahrzunehmen und lernen, sie liebevoll zu kommunizieren.
... eigene und Gefühle/Verhalten anderer zu verstehen und zu integrieren.
... eigene Ängste, Grenzen, Befürchtungen zu entlarven / bewusst zu machen / ggf. aufzulösen.

 

Das Potential,
Kindern soziale Kompetenz zu vermitteln,
liegt in unseren Händen.

(Eltern, Erzieher, Lehrer, Erwachsene)


Kinder als Potential nutzen,
um alte Traumata zu lösen,
anstatt sie an die nächste Generation weiter zu geben,
damit sich ALLE wohlfühlen können.


Die Verantwortungsübernahme
für alle Probleme mit Kindern
gibt UNS und NUR UNS die Möglichkeit,
uns und somit den Kindern zu helfen,
sich wohl zu fühlen.


Und bringt UNS sofort aus der Hilflosigkeit heraus.




Der STUFENPLAN - Eine Möglichkeit zur liebevollen und klaren Grenzsetzung


Zunächst ist wichtig:
Probleme immer SOFORT klären im Hier und Jetzt (wenn das nicht möglich: zumindest das Problem sofort ansprechen mit dem Hinweis, dass es zu dem bestimmten Termin (Termin nennen) geklärt wird)
Dranbleiben!
Wenn das Kind verschlossen ist: entweder still und verständnisvoll dableiben und warten oder kurz weggehen, wenn das Kind sich das zur Beruhigung wünscht, aber vor dem Weggehen mitteilen, dass man wieder kommt, um das Problem zu klären und dann aber auch wieder kommen!
Sobald das Kind wieder offen ist und ‚ankommt': Problemklärung ansprechen

Dabei geht es für den Erwachsenen darum:

dass der Erwachsene sich seiner Grenzen bewusst wird.
Denn: Warum überschreiten die Kinder denn die Grenzen? … weil der Erwachsene sich seiner Grenzen oft gar nicht (mehr) sofort bewusst ist.
dass der Erwachsene sich selbst bewusst wird, welches eigene Ziel oder welchen Wunsch er/sie wirklich hat.
Sich innerlich sein Ziel oder Wunsch klar machen. Was oder wie will ich es eigentlich.
Bsp. Erwachsener zum Kind: <Das war gerade nicht achtungsvoll. Ich möchte nicht, dass du sagst: "Ih, wie ecklig! Kotz!", sondern: "Mama, das Essen schmeckt mir nicht.">
dass der Erwachsene auch die Wünsche des Kindes wahrnimmt!
So wie der Vater im Drogeriemarkt mit seinem Sohn umgegangen ist. Er hat den Wunsch gewürdigt und verstanden, dass der Sohn mit dem Einkaufwagen weiterfahren möchte.
... dass der Erwachsene sich bewusst macht, dass Kinder die Grenzen der Erwachsenen erst kennen lernen müssen, d.h. die Grenzen werden erst nur mitgeteilt.
Kinder leben normalerweise ganz frei ihre Impulse und denken natürlich nicht darüber nach, ob sie bei dem einen oder andern eine Grenze überschreiten könnten. Sie müssen erst die Grenzen der anderen kennen lernen - so wie wir als Erwachsene die Grenzen eines uns fremden Menschen auch erst einmal kennen lernen müssen. Deshalb ist beim erstmaligen Überschreiten der Grenzen durch das Kind Strenge und die Androhung von Folgen völlig nötig.
... dass der Erwachsene dem Kind ein optimales Lernfeld bietet - Folgen-Kennenlern-System
Ich arbeite zunächst IMMER mit dem FOLGEN-KENNENLERN-System, um dem Kind einen Rahmen zu bieten, meine Grenzen kennen zu lernen und schließlich auch die Folgen bei Grenzüberschreitung kennen zu lernen und ihm dann zunächst die Wahl zu lassen, für welche Folgen es sich entscheidet.
(= Anknüpfung an die Autonomie des Kindes führt zum Lernen von eigenverantwortlichem Verhalten)


Dabei geht es generell darum:
Grenzen kennen zu lernen.
Erwachsener: Bewusstwerdung der eignen Grenzen
Kind: Kennen-Lernen der Grenzen des Erwachsenen (lernen)

Ziele / Wünsche kennen zu lernen und zu ACHTEN.
Beide Wünsche (vom Erwachsenen und vom Kind) sind gleichberechtig und dürfen sein.
Das bedeutet NICHT, dass man den Wunsch erfüllen muss.

Folgen kennen lernen.
Das Kind lernt, dass jede Handlung / Nicht-Handlung Folgen hat.

Wahl der Folgen - Selbstbestimmung
Kennt das Kind, welche Folgen möglich sind, wenn es eine Grenze wieder verletzen sollte, kann es selbst und BEWUSST entscheiden, ob es die Folgen tragen möchte oder nicht.
(Die Art der Folgen legt der Erwachsene fest.)

Erfahrungen zu sammeln
Das Kind hat die Möglichkeit zu erfahren, welche Folgen ihm gut tun und welche nicht.
Und was es will und nicht will.

Selbstbestimmung / Autonomie
Durch das eindeutige Festlegen der Folgen und durch die Wahl der Folgen gibt es keinen Druck/Zwang auf das Kind. Seine Wünsche bleiben geachtet und die Situation entspannt sich.

Ein Beispiel dazu:
Mein Kinder fanden es nicht so toll, im Haushalt zu helfen. Doch in den Phasen, in denen ich sehr viel zu arbeiten hatte, war es notwendig, dass sie mir halfen. Also gab es von mir einen "Auftrag" und etwas "Wahlfreiheit / Autonomie":
"Könntest du bitte bis 11 Uhr den Geschirrspüler aus- und das dreckige Geschirr einräumen, damit ich dann Platz zum Kochen habe."
Was habe ich gemacht?
Ich habe den Kindern einen Auftrag geben, aber sie müssen es nicht sofort machen, sondern können innerhalb eines gegebenen Rahmens (bis 11 Uhr) frei entscheiden, wann sie den Auftrag erledigen wollen.



Der Stufenplan

(1) Eigene Grenze wahrnehmen – fühlen und innerlich formulieren
(ganz wichtig).
 
(2) Wunsch des Kindes wahrnehmen.  
(3) Wunsch des Kindes achten und würdigen.
(Ich kann verstehen, dass du …)
 
(4) Eigene Grenze liebevoll und klar kommunizieren.
Nicht: Würdest du bitte aufhören ….
Sondern: Ich möchte, dass du aufhörst …


Wird die Grenze vom Kind geachte: O.K.
Wenn nicht: weiter mit (5)
(5) Eigene Grenze liebevoll und klar kommunizieren
UND die Folgen vorwarnen.

Du hast gerade meine Grenze nicht geachtet.
Wenn du nicht aufhörst, hat dies …. zur Folge.



Wird die Grenze vom Kind geachte: O.K.
Wenn nicht: weiter mit (6)
(6) Eigene Grenze liebevoll und klar kommunizieren
UND die Folgen konkret durchsetzen (handeln).

Du hast gerade wiederholt meine Grenze nicht geachtet.
Nun hat dies zur Folge, dass …



Wird die Grenze vom Kind geachte: O.K.
Wenn nicht: weiter mit (7)
(7) Eigene Grenze liebevoll und klar kommunizieren
UND die Folgen durchsetzen (handeln)
UND neue Folgen vorwarnen.

Du hast gerade wiederholt meine Grenze nicht geachtet.
Nun hat dies zur Folge, dass …
Wenn du weiterhin nicht aufhörst, dann hat dies zur Folge …






Wird die Grenze vom Kind geachte: O.K.
Wenn nicht: weiter mit (8)
(8) ...  
  … usw. Man kann sogar vorwarnen, dass man nicht mehr vorwarnt, wenn es neue Folgen gibt  



Wichtig!

- Rechne damit, wenn du anfängst deine Grenzen zu setzen (auch wenn sie liebevoll sind), dass dein Kind einen Verlustschmerz fühlen wird. Begleite den Verlustschmerz liebevoll und stehe deinem Kind dafür auf jeden Fall zur Verfügung (auch wenn das deine Grenze war, ihm nicht mehr zur Verfügung zu stehen) - ist der Schmerz zu Ende, dann bleibe aber bei deiner Grenze.
- Jeder Fortschritt / Jede Öffnung des Kindes sollte die Folgen vermindern!
Denn dann wird beim Kind die Weiterentwicklung gefördert.
Wichtig ist auf jeden Fall individuell zu schauen, was das Kind gerade leisten kann:
Habe ich ein Kind, das seine Missachtung der Grenzen noch nicht einmal (ein)sieht, dann sollte zunächst das Ziel sein, dass das Kind sieht, dass es eine Grenze überschritten hat. Z.B., dass das Kind sich dafür entschuldigt mit dem Satz: "Es tut mir leid, dass ich dich beschimpft habe."
Kann es das sagen, kann man die Folgen mindern.
Dann erst kommt das nächste Ziel:
Ich habe das Ziel, dass es achtungsvoll mit mir kommuniziert (ich sollte das auch tun, sonst geht's nicht!). Dann gibt es nur eine Minderung der Folgen, wenn es einen Tag lang achtungsvoll mit mir kommuniziert hat.
- Dem Kind wieder „Land in Sicht“ bieten - Jeder Fortschritt mindert die Folgen!
Denn gerade in der Anfangszeit kann es sein, dass die Folgen sich sehr häufen. Also die Folgen mindern, immer wenn Ziele erreicht worden sind.
- Minderung der Folgen „auf Bewährung“
… wie im richtigen Leben. Die Bewährung wird aufgehoben, wenn die Grenze abermals überschritten wird. Die Folgen können aber sofort wieder gemindert werden, wenn ein Fortschritt sichtbar wird.
- Wichtig!!
Wenn der Erwachsene NICHT in der Lage ist, seine Grenze liebevoll mitzuteilen, dann werden die Folgen für das Kind gemindert.
Das setzt den Erwachsenen auch etwas unter Druck, Grenzen unbedingt LIEBEVOLL zu setzen.


Habe ich selbst Schwierigkeiten, mit meinem Kind achtungsvoll zu kommunizieren bzw. mein Kind achtungsvoll zu behandeln, dann kann man sich gegenseitig in dem Lernprozess unterstützen:
Man vereinbart in der Familie - mit allen Mitgliedern - dass man ab sofort nur noch achtungsvoll kommunizieren möchte. Und vereinbart:
Folgen für die Kinder, wenn sie mit Geschwistern oder Eltern achtungslos kommunizieren.
Folgen für die Eltern, wenn sie mit den Kindern achtungsvoll kommunizieren.

So habe ich mit meinen Kindern gelernt, Grenzen liebevoll zu kommunizieren:

Meine Kinder hatten keine Folgen zu befürchten, wenn ich meine Grenze nicht liebevoll gesetzt habe. Oh, je! Und das war anfangs sehr häufig der Fall. Das Schöne daran war, dass es den Kindern Spaß machte, mich zu entlarven, wenn ich nicht liebevoll Grenzen setzte. Gleichzeitig lernten sie, darauf zu achten, wann Grenzen nicht liebevoll kommuniziert wurden und was sie bei mir hörten und lernten, konnten sie dann auch bei sich besser wahrnehmen.

Diese Regeln hingen bei uns im Haus, um mehr Achtung in das Miteinander zu bekommen, denn sowohl in meinem als auch im Familiensystem des Vaters war achtungsvoller und liebevoller Umgang nicht gerade üblich. Die Regeln galten für die Kinder sowie für die Erwachsenen gleichermaßen.



Spiel-Regeln für ein harmonisches Miteinander


1. Jeder darf sein eigenes Zimmer schützen!
Andere müssen anklopfen, bzw. rausgehen, wenn der Zimmereigentümer das wünscht. Wird die Grenze des Zimmers nicht geachtet, hat das Folgen.
2. Jeder darf sich selbst schützen!
Spätestens wenn einer laut eine Grenze setzt, muss der andere aufhören/nachgeben.
Dabei muss Ersterer wenigstens einmal liebevoll die Grenze gesetzt/kommuniziert haben.
3. Regeln beim Spielen:
a)
Der, in dessen Raum gespielt wird, trägt für das Spiel die Verantwortung. Er/sie ist dann der/die Veranstalter/in und der/die andere ist der/die Mitspieler/in.
Das hat Folgen:
- Der Mitpieler ordnet sich den Grenzen und Regeln des Veranstalters unter. Wenn dem anderen die Regeln nicht gefallen, dann muss er/sie auf das Spiel verzichten. Loslassen!
- Der Veranstalter trägt dafür die Verantwortung, dass das Spiel wieder vollständig aufgeräumt wird. Kann aber den anderen bitten, mit aufzuräumen.
- Der Veranstalter darf den anderen bitten, aus seinem Zimmer zu gehen.
b)
Sind es Spiele, die einem von Euch gehören, dann wird das Spiel dort gespielt, der Person das Spiel gehört.
So kann es nicht passieren, dass der Veranstalter den Mitspieler aus dem Raum schmeißt - der aber noch sein Spiel mitnehmen will.
c)
Sind es Spiele von Mama,
- könnt ihr frei entscheiden, in welchem Zimmer ihr spielen wollt. Dazu aber Punkt 1 beachten!
- ihr Mama fragen, ob ihr im Wohnzimmer spielen dürft, dort trägt Mama die Verantwortung. Ich werde dann regeln, wer die Verantwortung für das Spiel trägt.

... bitte ergänzen, falls dir noch etwas einfällt.



Literatur:

Maria Montessori "Kinder sind anders"
dtv, München 1987 (italienisches Original 1950)
Jean Liedloff "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück - Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit"
Verlag C.H.Beck, München 1980 (englisches Original 1977)
Alice Miller "Das Drama des begabten Kindes - und die Suche nach dem wahren Selbst"
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. Main 1989
Isabelle Filliozat "Ich schenk dir meine Wut - Die emotionale Kraft unserer Kinder"
Walter Verlag, Zürich 2000
Jesper Juul "Grenzen, Nähe, Respekt - Wie Eltern und Kinder sich finden"
Rowohlt taschenbuchverlag 2000
Arno Gruen "Der Fremde in uns", dtv, München 2002
"Dem Leben entfremdet - Warum wir wieder lernen müssen zu empfinden", Klett-Cotta, Stuttgart 2013
"Wider den Gehorsam" Klett-Cotta, Stuttgart 2014
Eva Madelung "Trotz und Treue"
Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg 2003
Rebeca Wild "Freiheit und Grenzen - Liebe und Respekt"
Beltz Verlag, Berlin 2003



 

 

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